Die kommende Ökonomie

Der Journalist und radikale Sozialdemokrat Paul Mason stellt sein Buch »Postkapitalismus« vor

Einen würdigen Nachfolger von Karl Marx nannte die britische Zeitung »The Guardian« Paul Mason in einer Rezension seines Buches »Postkapitalismus«. Seine Thesen stellt der Journalist auf einer Veranstaltung in Berlin zur Diskussion.

»Grundrisse einer kommenden Ökonomie« – der Untertitel der deutschen Übersetzung des im englischen Sprachraum viel diskutierten Buches von Paul Mason weckt Erinnerungen an ein Werk des Größten der linken Theoriegeschichte: an Karl Marx› »Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie«. Dieses zu Lebzeiten nicht publizierte Manuskript hatte er in London in den Jahren 1857/58 geschrieben. Die »Grundrisse« gelten als Vorarbeit für »Das Kapital«.

Obwohl der Untertitel der Original-Ausgabe von Masons Buch »A Guide to our Future« lautet, wurde in der britischen Tageszeitung »The Guardian« bereits die Frage gestellt, ob der 1960 geborene Journalist ein würdiger Nachfolger von Marx sei. Ja, lautete die Einschätzung. Der deutsche Untertitel macht aber auch deshalb Sinn, weil Mason sich ausführlich auf das sogenannte »Maschinenfragment« in den »Grundrissen« bezieht. In diesem hatte Marx über die Potenziale neuer Techniken in seiner ihm eigenen dialektischen Weise nachgesonnen.

Das tut auch Mason. Und wenn man heute über Technik nachdenkt, so ist es die moderne Informationstechnologie, das Internet. Mason zufolge berge die digitale Revolution das Potenzial in sich, den Kapitalismus zu überwinden und eine postkapitalistische Gesellschaft ohne Privateigentum zu verwirklichen. Ein wichtiges Argument dabei lautet, dass es dank des Internets nunmehr möglich ist, Waren wie Software, Musik und das Objektdesign zu gegen null gehenden Kosten zu reproduzieren. Daraus ergebe sich der gegenwärtige Hauptwiderspruch des Kapitalismus: der zwischen unbegrenzt zur Verfügung stehendem Wissen und Eigentumsrechten, die begrenzt sein müssen.

Die neue Technologie, so schreibt Mason mit Blick auf die heutige Linke, eröffnet einen neuen Ausweg. »Diesen Weg müssen die letzten Vertreter der alten Linken und alle von ihr beeinflussten Kräfte einschlagen. Oder sie werden untergehen.« Das ehemalige Mitglied der trotzkistischen »Workers‹ Power group« bezeichnet sich heute als »radikalen Sozialdemokraten«, der die Schaffung eines peer-to-peer-Sektors neben Markt und Staat als Element einer langfristigen Transformation hin zu einer postkapitalistischen Ökonomie befürwortet.

Die Thesen seines in einer Woche bei Suhrkamp erscheinenden Buches wird Mason dem deutschen Publikum bereits auf den »Democracy Lectures« der Monatszeitschrift »Blätter für deutsche und internationale Politik« am heutigen Dienstag zur Diskussion stellen. Im Anschluss seines Vortrages streiten mit ihm die Ökonomin Friederike Habermann, das IG-Metall-Vorstandsmitglied Hans-Jürgen Urban und Frank Rieger vom Chaos Computer Club. Dieses Wissen steht jedem Interessierten frei zur Verfügung, sprich der Eintritt ist kostenlos. Alles andere würde Masons Ausführungen wohl auch konterkarieren.

Democracy Lectures der »Blätter für deutsche und internationale Politik« mit Paul Mason, 5. April, 19 Uhr, Haus der Kulturen der Welt, John-Foster-Dulles-Allee 10, Mitte, Eintritt frei

aus: neues deutschland, 05.04.2016

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