Das Leben als Schulterzucken

Édouard Louis’ Buch über seine Mutter handelt von patriarchaler Zerstörung – und von Befreiung

Das Vorgängerbuch über den Vater war eine von Rachegefühlen getriebene Anklage. Es schlug förmlich mit Sätzen wie »Jacques Chirac und Xavier Bertrand machten deinen Darm kaputt« oder »Emmanuel Macron stiehlt dir das Essen direkt vom Teller« um sich. In Édouard Louis´ Pendant zur Mutter fehlt diese plakative Wut weitgehend, sie ist einem einfühlsamen, behutsamen Ton gewichen. Das heißt nicht, dass die Gesellschaftskritik aus Louis’ Text verschwunden ist. Die von der Klassengesellschaft und von männlicher Herrschaft ausgehende Gewalt ist fast auf jeder Seite von »Die Freiheit einer Frau« präsent. Weiterlesen

Kein Krieg, aber Flüchtlingsabwehr

Über Macrons Vorschlag, »Hotspots« in Afrika zu errichten

Der französische Präsident ist auch mal zu loben: Er wolle weniger Interventionskriege führen und mehr auf Diplomatie setzen. Das ist schon mal was. Schließlich hat das militärische Eingreifen u.a. Frankreichs und Italiens in Libyen 2011 zum Sturz Gaddafis und zum Chaos in dem Land entscheidend beigetragen. Das war kurzsichtig. Denn nun gibt es in Libyen keinen Herrscher mehr, der mächtig genug ist, für die Europäer die Flüchtlinge in Lager zu sperren. Weiterlesen

Unter Umgehung des Parlaments

Über Macrons Eile bei der Reform des Arbeitsmarktes

Der neue französische Präsident hat es eilig. Schon an diesem Mittwoch will Emmanuel Macron ein Gesetz auf den Weg bringen, das es ihm erlaubt, seine Liberalisierung des Arbeitsmarktes anzupacken. Der genaue Inhalt der Reform ist noch unbekannt, aber Macrons Politik als Wirtschaftsminister, seine Ankündigungen und ein Leak deuten auf eine französische Agenda 2010 hin. Weiterlesen

Willkommen im Politikalltag

Über unerwartete Rücktritte in Paris

Präsident Emmanuel Macron holt der trübe französische Politikalltag schneller ein als gedacht. Sein kometenhafter Aufstieg bis an die Spitze des Staates war auch der Tatsache zu verdanken, dass sich sein konservativer Konkurrent François Fillon durch eine Scheinbeschäftigungsaffäre selbst um den Sieg brachte. Weiterlesen

Taumelnd in den Brexit

Über den Fahrplan bei den EU-Austrittsverhandlungen

Es war eine Niederlage für Großbritanniens Brexit-Minister David Davis. Und das sah man ihm auch an, als er nach der ersten Verhandlungsrunde mit Michel Barnier, dem Brexit-Beauftragten der EU-Kommission, vor die Presse trat. Das Gesicht: heiß und verschwitzt; sein Haar: etwas durcheinander. Dabei war er zuvor so aufgeräumt gewesen, Pathos schwang mit, als er sagte: »Uns verbindet mehr als uns trennt.« Mit freundlichen Worten und Geschenken – ein Wanderstock für Davis, ein Wanderbuch für Barnier – versuchten beide, die Konfliktlinien zuzudecken. Weiterlesen

Moralminister ohne Moral

Über Macrons Gesetz für mehr Anstand in der Politik

Von einem Politiker, der Moral per Gesetz verordnen will, sollte anzunehmen sein, dass er selbst im Besitz von Anstand ist. François Bayrou, Frankreichs neuer Justizminister und Vorsitzender der Zentrumspartei MoDem, hatte ein Gesetz zur »Moralisierung des öffentlichen Lebens« zur Bedingung für die Unterstützung von Präsident Macron gemacht. Das »Saubermann«-Gesetz wurde am Mittwoch vom französischen Kabinett auf den Weg gebracht – als erstes Reformvorhaben der Regierung unter Präsident Macron überhaupt. Das gibt ihm eine besondere Bedeutung. Weiterlesen

Autoritäre Versuchung

Über Reaktionen auf Macrons Wahlsieg

»La République en Marche« marschiert von Sieg zu Sieg. Aber im Grunde marschiert nur einer: Emmanuel Macron. Seine Bewegung – von einer Partei kann keine Rede sein – ist eine von seinen Gnaden. Die Kandidaten für das Parlament wurden von einem Parteigremium gecastet und aufgestellt, nicht etwa von Parteigliederungen gewählt. Und ins Parlament gewählt werden die zukünftigen Abgeordneten, weil ihr Konterfei neben dem des Präsidenten prangte. Schon wird Macron mit einem demokratisch gewählten Monarchen, gar mit Napoleon verglichen. Weiterlesen

Macrons (De)moralisierungsgesetz

Über Vorermittlungen gegen einen Vertrauten des Präsidenten

»Ich werde darauf nicht antworten«, sagt Emmanuel Macron. So redet jemand, der in die Defensive geraten ist. Und in der Tat: Dass jetzt gegen Richard Ferrand, den engen Vertrauten und ehemaligen Generalsekretär der Bewegung »En marche«, Vorermittlungen der Justiz eingeleitet wurden, ist eine äußerst delikate Angelegenheit für den französischen Präsidenten. Denn Macrons Wahlerfolg lag auch daran, dass sich sein konservativer Gegenkandidat Fillon durch Affären selbst demontierte. Jetzt droht vielleicht noch nicht die Selbstdemontage Macrons, zumindest aber seine Demoralisierung. Weiterlesen