Totalitarismus und Unrechtsstaat

Vorgaben des Blicks auf die DDR am Beispiel des Gedenkstättenkonzeptes

Gelegentlich muss man der Frankfurter Allgemeinen Zeitung für ihre Deutlichkeit einfach dankbar sein. So zum Beispiel, als sie dem ehemaligen Wehrmachtssoldaten und emeritierten Rechtsgelehrten und -philosophen Gerd Roellecke Raum gab, seine Meinung darzulegen zu der in der Öffentlichkeit intensiv diskutierten Frage, ob die DDR ein Unrechtsstaat gewesen sei (15.6.2009). Selbstredend war sie es. Doch nicht diese Antwort ist für das konservative Lager und ihre Publikationen so bemerkenswert, sondern die Art und Weise der Begründung. Kern von Roelleckes Argumentation war ein Vergleich der von ihm unter der Kategorie „Unrechtsstaat“ subsumierten NS- und SED-Regime. Das freilich ist seit dem Anschluss der DDR an die BRD Mainstream, wenngleich zumeist in einer modernisierten (neo)konservativen oder auch liberalen Version, die, um den Vorwurf der NS-Relativierung prophylaktisch zu entkräften, die Singularität und Unvergleichbarkeit der von den Nazis und ihren willigen Vollstreckern begangenen Massenmorde rhetorisch anerkennt. Roellecke hingegen argumentiert herkömmlich konservativ, ja geradezu in einer perfiden und kruden Manier: Indem er der DDR-Führung den Willen zur Judenvernichtung und zur Entfesselung eines Weltkrieges unterstellt und zwischen Verweigerung von Entschädigungszahlungen an Juden – das ist in der Tat ein ruhmloses Kapitel der DDR-Geschichte – und deren Vernichtung einen höchstens graduellen Unterschied ausmacht. Zitieren wir ihn ausführlich: „Diesen Vergleich (zwischen NS- und SED-Staat, die Verf.) mit der Begründung zurückzuweisen, die DDR habe weder Juden verfolgt noch einen Weltkrieg entfesselt, ist so ungereimt wie es eine Verteidigung des NS-Unrechts-Regimes mit dem wahren Hinweis wäre, das Regime habe keine Galeerensklaven gekannt. Nach dem Massenmord an den Juden und nach dem Zweiten Weltkrieg hatte die DDR gar nicht mehr die Möglichkeit, Juden zu verfolgen oder einen Krieg zu beginnen. Das verbot ihr nicht nur die Weltöffentlichkeit, sondern auch ihr eigener Antifaschismus. Sogar Stalin hätte etwas dagegen gehabt. Aber immerhin hat die DDR praktisch keine Wiedergutmachung an die jüdischen Opfer des NS geleistet und wäre 1968 wohl in die Tschechoslowakei einmarschiert, wenn die Russen es zugelassen hätten.“

Roellecke stellt sodann die aus seiner Sicht angemessenere Frage. Nämlich die, ob das NS-Regime als Unrechtsstaat zu charakterisieren wäre, wenn es weder Juden verfolgt noch einen Krieg begonnen hätte. Seine Antwort: Natürlich wäre es. Denn: „Es war eine Diktatur, die sich grundlegend von modernen westlichen Staaten unterschied, ohne Mitbestimmung, Gewaltenteilung und Rechtsschutz.“ Dieses Fehlen aller rechtlichen Sicherungen gegen den Missbrauch politischer Macht sei ein Grund für Judenverfolgung und Krieg gewesen. Somit ähnelten sich NS- und SED-Regime offenkundig. Roellecke begründet dann seine Schlussfolgerung, dass NS- und SED-Regime aus der Entwicklung der Moderne herausfallen, folgendermaßen: „Sie setzten nicht die Gleichheit aller Menschen voraus, wie es die moderne Funktionsorientierung verlangt, sondern halten Arbeiterklasse beziehungsweise arische Rasse für von der Natur herausgehobene Gruppen und Kapitalisten beziehungsweise Juden für von Natur aus minderwertig. Das war ein verheerender kultureller Rückschritt, der es rechtfertigt, beide Regime in gleichem Sinne Unrechts-Regime zu nennen.“[1]

Auf Roelleckes Text ist einleitend aus mehreren Gründen eingegangen worden. Zunächst: Im Kontrast zu seiner konservativen Positionierung alter Schule, die offenkundig Schnittmengen zu neofaschistischen Stellungnahmen aufweist, kann mustergültig eine modernisierte neokonservativere, auf Konsens orientierte Argumentation herausgearbeitet werden, die zum Beispiel – wie gezeigt wird – in der Diskussion um das Gedenkstättenkonzept der Bundesregierung zum Ausdruck kam. Sodann lässt sich an dieser Intervention wie an dem Gedenkstättenkonzept aufzeigen, wie die Totalitarismustheorie als ideologische Begründung fungiert und worin ihr wissenschaftlicher und (geschichts)politischer Wert besteht.

Austritt des Zentralrats der Juden aus dem Gremium der Stiftung Sächsische Gedenkstätten 
Als im Januar 2004 der Zentralrat der Juden erklärte, seine Vertreter würden nicht länger in den Gremien der Stiftung Sächsische Gedenkstätten mitarbeiten, sorgte dieser Rückzug für bundesweite Aufmerksamkeit und lenkte den Blick auf eine geschichtspolitische Entwicklung, die sich jenseits der großen Feuilletondebatten der 1990er Jahre abspielte, die jedoch genau jene konservative geschichtspolitische Linie fortsetzte, die sich seit der deutsch-deutschen Vereinigung zu Beginn der 1990er Jahre abgezeichnet hatte: die Auflösung der Spezifik des deutschen Faschismus in einem allgemeinen Antitotalitarismus und die Eingemeindung Deutschlands in eine globalisierte Form der Opfererinnerung bzw. – wie es der ehemalige Direktor der Gedenkstätte von Buchenwald Thomas Hofmann formulierte – „die Beschäftigung mit dem NS- zugunsten einer Beschäftigung mit dem SED-Staat sowie dem Kommunismus im Allgemeinen zurückzudrängen“.[2]

Dass sich die geschichtspolitische Auseinandersetzung an der Frage der Gedenkstättenkonzeption entzündete ist genau so wenig ein Zufall wie die Tatsache, dass sie in Sachsen ihren ersten Schauplatz fand. Wie an wenigen anderen Stellen hat der Staat im Rahmen von Gedenkstättenkonzeptionen die Möglichkeit, lenkend in die Auseinandersetzung mit der deutschen Vergangenheit einzugreifen. Lassen sich inhaltliche Einflussnahmen auf die Wissenschaft nur bis zu einem gewissen Punkt vornehmen, so kann mit den Mitteln der Förderung und der Schwerpunktsetzung bzw. Schwerpunktverlagerung die Richtung und die Wahrnehmung von Vergangenheitsdarstellungen deutlich in die gewünschte Richtung gelenkt werden. Kritiker sprechen insofern von totalitarismustheoretisch orientierter Zeitgeschichte als einem „Appendix eines vermachteten, staatspolitischen Überbaus, der über das Instrument der Mittelvergabe inhaltliche Akzentuierungen erzwingt, die wiederum auf parteipolitisch ausgehandelte Formelkompromisse zurückgehen“.[3] Genau so geschah es in Sachsen, das dank einer nunmehr 18-jährigen CDU-Dominanz im Freistaat in gewissem Sinne die geschichtspolitische Speerspitze der Union bildet. Die Gründung und Indienstnahme des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung (HAIT) ist das wohl bekannteste Beispiel einer politisch gelenkten wissenschaftlichen Einrichtung, die relativ klar den Vorgaben der Landesregierung folgt, dies zumindest in der Vergangenheit immer wieder getan hat.[4] Und ganz im Sinne des Forschungsparadigmas des HAIT sollte auch die Gedenkstättenkonzeption des Landes gestaltet werden – ausgehend von der Totalitarismustheorie. Die Grobschlächtigkeit dieses wissenschaftlichen Analyseinstrumentariums entfaltete in ihrer ungebremsten praktischen Umsetzung einen solchen Wirbel, dass es dem Anliegen der konservativen Geschichtspolitiker selbst wieder Schaden zufügte. Hätte man in der Union den Ausstieg der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) oder der Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz noch achselzuckend hingenommen, so war der Ausstieg des Zentralrats der Juden aus dem Stiftungsgremium zumindest ein medialer GAU. In der Pressemitteilung des Zentralrates hieß es u. a.: „Durch die Konzeption der sächsischen Landesregierung, die auch bundespolitische Signalwirkung in der Gedenkstättenförderung hinsichtlich einer Re-Nationalisierung des Gedenkens entfaltet, wird geschichtspolitisch die Zeit nach 1945 unter dem Stichwort ‚doppelte Vergangenheit’ einer ‚Waagschalen-Mentalität’ ausgesetzt – mit den nationalsozialistischen Verbrechen in der einen und den kommunistischen Verbrechen in der anderen Waagschale. In der Konsequenz bedeutet dies die Aufkündigung des in der zweiten Enquetekommission des Deutschen Bundestages 1999 mühsam errungenen Konsenses zur Gedenkstättenarbeit in Deutschland.“[5]

Das Gedenkstättenkonzept des Bundes 2008
Mit der Verabschiedung eines neuen Gedenkstättenkonzeptes des Bundes durch die große Koalition im November 2008 wurden die Konflikte um die Ausrichtung staatlich geförderter Gedenkpolitik, wie sie etwa in Sachsen deutlich wurden, scheinbar ausgeräumt. Gab es bei der ersten Vorlage des Entwurfs zum neuen Gedenkstättenkonzept noch heftige Proteste von Wissenschaftlern und Experten, so ging der sprachlich entschärfte und überarbeitete Entwurf weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit durchs Parlament. Um aller Kritik am ersten Entwurf des Konzeptes die Spitze zu nehmen und auch vor dem Hintergrund der Erfahrungen aus Sachsen, unterstreicht gleich der erste Satz der Einleitung die Differenz zwischen deutschem Faschismus und DDR: „Es ist unverzichtbar, den Unterschieden zwischen NS-Herrschaft und SED-Diktatur Rechnung zu tragen.“[6] Festgemacht wird dieser Unterschied an der „singulären Bedeutung“ des Völkermordes an sechs Millionen Juden, Erwähnung finden auch der Vernichtungskrieg im Osten, der Völkermord an den „Zigeunern“, die Ermordung von Behinderten, Homosexuellen und Widerstandskämpfern.

Sprachpuristen könnten die inhaltliche Differenz zwischen der neutralen NS-„Herrschaft“ und der politisch eindeutigen SED-„Diktatur“ bemängeln, dennoch ist es unstreitig, dass die Einleitung des neuen Gedenkstättenkonzeptes den Kritikern der harten Totalitarismuslinie Tribut zollt und gerade jene Vertreter von SPD und Grünen mit ins Boot holen sollte, deren Sachverständige bei der Anhörung zum ersten Entwurf (im November 2007) noch heftige Kritik geübt hatten.[7] Die positiven Reaktionen auf den überarbeiteten und schließlich verabschiedeten Entwurf zeigen, dass es auch für die konservative Seite richtig war, an dieser Stelle nachzugeben. Denn auf der materiellen Ebene konnten alle konservativen Vorstellungen durchgesetzt werden: Auch der verabschiedete Entwurf geht von einem „Nachholbedarf“ der „Gedenkstätten und Erinnerungsorte zur Auseinandersetzung mit der kommunistischen Diktatur“ aus[8], die Historisierung der deutschen Geschichte nach 1945 bezieht sich weiterhin nur auf die DDR, womit der kausale Zusammenhang des Kalten Krieges, in dem sich beide deutsche Staaten bewegten, ausgeblendet bleibt, der Blick auf die DDR erfolgt weiterhin unter der Vorgabe der Darstellung der Diktaturelemente. Der „antitotalitäre Konsens“ als Lehre aus der ‚doppelten Diktaturerfahrung’ wird festgeschrieben.

Auf zwei knappen Seiten beschäftigt sich das Gedenkstättenkonzepte mit „Gedenkstätten und Erinnerungsorten zur NS-Terrorherrschaft“. In Fortsetzung und Erweiterung des Vorläufers von 1999 werden hier neben den Gedenkstätten Buchenwald, Sachsenhausen und Ravensbrück, sowie den Gedenkorten Pirna-Sonnenstein, Münchener Platz in Dresden und Mittelbau-Dora die westdeutschen Gedenkstätten Dachau, Bergen-Belsen, Neuengamme und Flossenbürg neu in die institutionelle Bundesförderung aufgenommen – ein durch und durch positives Ergebnis. Bei dieser Gelegenheit wird im Konzept noch einmal auf die seitens der SED „instrumentalisierte (…) Dokumentation der Geschehnisse am authentischen Ort und das Gedenken an die Opfer zur Legitimierung der eigenen Diktatur“[9] verwiesen – ganz so, als habe es in der DDR nur eine instrumentelle Trauer um die Opfer des Faschismus gegeben und als sei die BRD frei von solchen Formen der Instrumentalisierung. Dass in der Bundesrepublik die authentischen Orte ohne die Initiative zahlreicher Bürgerinnen und Bürger – häufig gegen den Widerstand von Staat und Politik – in der Anfangsphase zu verrotten drohten und es häufig nicht einmal eine instrumentelle Bereitschaft zur Erinnerung gab, verschweigt der Text. Neu geschaffen wird mit dem Konzept von 2008 die Einrichtung der „Ständigen Konferenz der Leiter NS-Gedenkorte im Berliner Raum“, womit der besonderen Konzentration von Erinnerungsorten in und um Berlin Rechnung getragen werden soll.

Wie zur Dokumentation des vermeintlichen Nachholbedarfs der Beschäftigung mit der DDR-Vergangenheit befassen sich die restlichen fünfeinhalb Seiten des Konzepts mit den Einrichtungen zu eben dieser Vergangenheit. Die Gründung eines „Geschichtsverbundes zur Aufarbeitung der kommunistischen Diktatur in Deutschland“ ist ein zentrales Element in diesem Teil. Hier geht es um die Bündelung aller Einrichtungen, die sich mit der Vergangenheit von DDR bzw. SBZ befassen, mithin um ein schlagkräftiges geschichtspolitisches Instrument, mit dessen Hilfe die gleich eingangs beklagte mangelnde Präsenz des „DDR-Unrechts“ im öffentlichen Bewusstsein korrigiert werden soll.[10]

Der Birthler-Behörde wird, entgegen den ursprünglichen Überlegungen einer schnelleren Übernahme durch das Bundesarchiv, eine längere Perspektive gegeben, die sich mindestens über die nächste Legislaturperiode erstrecken wird. Zentraler Ausgangspunkt für alle geförderten Einrichtungen in diesem Bereich ist die These vom „Unrechtsstaat“ DDR, dessen Gründung von Anfang an als illegitim betrachtet wird, was sich schon aus der historischen Perspektive ergibt, in der allein die DDR zum Untersuchungsgegenstand wird. Damit bleiben indes nicht nur die Wechselwirkung der Maßnahmen in beiden deutschen Staaten (determinierende Rolle des Adenauerstaates) und die weltpolitische Situation des Kalten Krieges (DDR als Faustpfand der SU), sondern auch der Aspekt der Attraktivität der antifaschistischen und sozialistischen Idee nach Ende des Nazifaschismus als determinierender Hintergrund für die Entwicklung von DDR und BRD ausgespart. Die zu fördernden „Gedenkstätten, Erinnerungsorte und Museen zur SED-Diktatur“ sollen nach den Themen (1) Teilung und Grenze, (2) Überwachung und Verfolgung, (3) Gesellschaft und Alltag und (4) Widerstand und Opposition gruppiert werden,[11] womit die repressive Seite des Regimes in den Mittelpunkt der Darstellung rücken soll. Um dies zu verdeutlichen, wird für den Punkt Gesellschaft und Alltag in der DDR eine inhaltliche Vorgabe formuliert, die als klarer Eingriff in die wissenschaftliche Unabhängigkeit aufgefasst werden kann und die die generelle Richtung der Geschichtsdarstellung vorgibt: „Das Alltagsleben in der DDR wird berücksichtigt, um einer Verklärung oder Verharmlosung der SED-Diktatur und jeder ‚Ostalgie’ entschieden entgegenzuwirken. Dazu ist das alltägliche Leben notwendigerweise im Kontext der Diktatur darzustellen. Es muss deutlich werden, dass die Menschen in der DDR einer umfassenden staatlichen Kontrolle unterlagen und einem massiven Anpassungsdruck ausgesetzt waren, ebenso wie die Diktatur ihre Macht auch aus der Mitmachbereitschaft der Gesellschaft schöpfte.“[12] Verhindert werden soll somit jede Form der positiven Darstellung einzelner Elemente der DDR-Gesellschaft, etwa die Sozial- und Gesundheitsversorgung, das Bildungssystem oder die kulturellen Einrichtungen, die nur unter der Generalprämisse des „Unrechtsstaates“ betrachtet werden sollen.

Hinter dieser Vorgabe steckt, möglicherweise unbewusst, eine weitere Parallelisierung von DDR und deutschem Faschismus. So wie, nach langen geschichtspolitischen Debatten und bis heute nicht durchgesetzt, die Verbrechen des Faschismus nicht durch die vermeintlich „guten Seiten des Regimes“ überdeckt werden sollen, so soll auch in der Erinnerung an die DDR nicht eine Verunklarung des „Unrechtscharakters“ des Regimes durch einzelne positive Elemente hervorgerufen werden. Dass, bezogen auf den Faschismus, eine solche Differenzierung gerade von konservativen Betrachtern befürwortet wurde, wie sie jetzt für die DDR verworfen wird, sei nur am Rande erwähnt.[13] Verkannt wird so, dass die bis heute und durch die reale Entwicklung im Kapitalismus sogar verstärkt rezipierten positiven Seiten der DDR zum zentralen Anliegen des Sozialismus gehören, während sie in der dominierenden und politisch geleiteten Vorstellung heute nur funktional, als Ruhigstellung der Bevölkerung, erscheinen. Eine differenzierte und um wirkliche Erkenntnisse bemühte Wissenschaft wird gerade der Frage nachgehen, welche Entwicklungen der DDR zu einer stärkeren Bindung der Bevölkerung geführt haben und welche Tendenzen gleichzeitig (oder auch zeitlich versetzt) zu einer Entfremdung und Ablösung vom System beigetragen haben. Vor dem Hintergrund der nicht unplausiblen These, dass die schnelle Einbindung der westdeutschen Bevölkerung in das demokratische System nach 1949 vor allem über die wirtschaftliche Prosperität und die materiellen Gewinne der Bevölkerung garantiert wurde, wäre für die DDR eben der Frage nach den wechselnden materiellen Einbindungen der ostdeutschen Bevölkerung nachzugehen. Es könnte sich dann allerdings zeigen, dass die materielle Seite die Fragen von fehlender Demokratie und Partizipation überwogen hat – eine These, die sich unter Einhaltung der im Gedenkstättenkonzept formulierten Vorgaben jedoch nur schwer überprüfen lassen wird.

Die Kritiker
Im Gegensatz zu den Unionsvertretern wurde von den anderen Sachverständigen in der Anhörung zum Gedenkstättenentwurf massive Kritik vorgetragen. Für Volkhard Knigge, Leiter der Gedenkstätte Buchenwald und geladen als Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der KZ-Gedenkstätten in der Bundesrepublik, zeigt der Entwurf eben keine angemessene Gewichtung der „beiden Diktaturen in Deutschland“, was für Knigge eine sehr viel stärkere Differenzierung bedeutet hätte. Auch kann er den im Entwurf behaupteten Nachholbedarf bezogen auf die DDR-Vergangenheit nicht nachvollziehen: „Keine Diktatur ist so umfassend und schnell erforscht worden wie die DDR, niemals zuvor ist es so schnell zu einem umfassenden Elitenaustausch gekommen und niemals zuvor sind so schnell potente, personalstarke Aufarbeitungsinstitutionen geschaffen und staatlich gefördert worden (…). Wenn all dies von so geringer Wirkung geblieben sein soll, wie nahegelegt, muss die Frage nach dem ‚Warum’ zwangsläufig auch auf die Arbeit der seit 1990 geschaffenen Einrichtungen zurückfallen.“[14] Durch die im Entwurf formulierten Vorgaben zur Darstellung des DDR-Alltags sieht Knigge die inhaltliche Autonomie und politische Unabhängigkeit der Gedenkstätten als gefährdet an, da der Entwurf selbst eine „parteiliche Geschichtsdeutung“ vorgebe.[15] Kritisch sieht Knigge auch „die verschleifende Rede von den ‚beiden totalitären Systemen’“, die nicht zur Klarheit beitrage und gerade die Differenzen der Systeme unter den Teppich kehre. Einhergehend damit verfestige der Entwurf ein falsches Bild beider Regime und verkenne die aktive Beteiligung weiter Teile der Bevölkerung, die eben nicht nur passive Opfer unterschiedlicher Diktaturen gewesen sei. Bezogen auf die geforderte DDR-Darstellung schreibt Knigge: „Die dem Entwurf implizite Darstellung der gesamten DDR-Bevölkerung als Opfer staatlicher Repressions- und Verfolgungspolitik fällt hinter den Forschungsstand zurück, wie auch der Begriff der SED-Diktatur zunehmend dazu tendiert, die Rolle der Sowjetunion und der Blockparteien zu überblenden.“[16] Schließlich übt Knigge massive Kritik an der ursprünglich geplanten Zusammensetzung des Expertengremiums, durch das die NS-Gedenkstätten marginalisiert würden.

Klaus-Dietmar Henke, immerhin kurzzeitig Leiter des Hannah-Arendt-Instituts, kritisiert insbesondere die totalitarismustheoretische Gleichsetzung von NS-Regime und DDR. Während die Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit im Entwurf des Gedenkstättenkonzepts „ausgesprochen randständig“[17] ausfalle, werde durch die Parallelisierung von NS- und DDR-Vergangenheit die Gefahr einer „historisch falsch(en), politisch verfehlt(en) und kulturell verstörend(en)“[18] Darstellung heraufbeschworen. Auch wenn laut Henke aufgrund „phänomenologischer Gemeinsamkeiten“ beide Regime als totalitäre Diktaturen bezeichnet werden könnten, sei es jedoch „nichts als verfehlt, beide Diktaturen in dieselbe Schublade des ‚Totalitarismus’ zu stecken. Tatsache ist vielmehr, dass die Unterschiede zwischen der nationalsozialistischen und der kommunistischen Herrschaft in Deutschland ungleich viel größer waren als ihre Gemeinsamkeiten.“[19]

Auch für Martin Sabrow vom Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam ist es vor allem die totalitarismustheoretisch geprägte Gleichsetzung von NS und DDR, die zu einer fatalen Schieflage des Entwurfs geführt hat. So werde der Entwurf von einem statischen und naiven Totalitarismusmodell getragen, das nicht einmal in der Lage sei, die zeitlichen Phasenwechsel beider Regime zu berücksichtigen. Der Blick auf die DDR sei im Entwurf rein „aus der normativen Sicht des liberalen Rechtsstaates“ formuliert und gebe offenbar „der Klarheit des politisch-moralischen Urteils den Vorrang vor der Tiefe des historischen Verständnisses (…).“[20] Im „faktischen Verzicht“ auf die Alltagsdimension sieht Sabrow die eklatanteste Schwäche des Entwurfs. Mit dem Verzicht auf die Darstellung der Bindungskräfte der DDR und ihrer „rhetorischen Umwandlung“ in ein „Angst-Anpassungssyndrom“ verkenne der Entwurf völlig die Realität einer „kommunistischen Mobilisierungsherrschaft“. „Auf die NS-Herrschaft übersetzt, würde die Rückkehr zu einem solchen dämonologischen Paradigma einer Entlastung von der ‚dem Führer entgegenarbeitenden’ Gesellschaft (Ian Kershaw) und der von ihr getragenen Radikalisierungsdynamik zugunsten einer mythisierenden Alleinverantwortung Hitlers und seiner Helfer gleichkommen (…).“[21] Es steht zu befürchten, dass in konservativen Kreisen genau dieses Bild der NS-Herrschaft und auch der DDR-Vergangenheit vorherrscht. Nicht umsonst verbindet sich ein solches Bild der Vergangenheit/en bestens mit dem inzwischen allgegenwärtigen Opferdiskurs in Deutschland.

War der Zentralrat der Juden schon in Sachsen aus der Mitarbeit am dortigen Gedenkstättenkonzept des Landes aufgrund der unerträglichen Parallelisierung von NS-Diktatur und DDR ausgestiegen, so macht Salomon Korn seine Kritik am Entwurf des Bundes eben auch an dieser Parallelisierung fest. Neben diesem Punkt verweist Korn darauf, dass im Entwurf kein Wort zum bevorstehenden Verlust der Zeitzeugen zur NS-Vergangenheit ausgeführt wird und die Häftlingskomitees in ihrem Ruf nach Unterstützung weiter ungehört bleiben.[22]

Der sprachlich und an wenigen Stellen auch inhaltlich entschärfte Entwurf zum Gedenkstättenkonzept zeigt wesentlich deutlicher als das schließlich verabschiedete Konzept, wo auch heute noch die geschichtspolitischen Kampflinien verlaufen. Deren Entschlüsselung ist auch deshalb schwieriger geworden, weil, im Gegensatz zu den 1980er und 1990er Jahren des vergangenen Jahrhunderts (Roelleckes Stellungnahme ist gegenwärtig die Ausnahme), heute eine sehr viel stärkere Konsensorientierung im geschichtspolitischen Feld vorherrscht. Vor allem von Teilen der konservativen Seite wurde aus den Erfahrungen der heftigen Kontroversen der Vergangenheit offensichtlich der Schluss gezogen, dass zu offensive Formen der Umdeutung – gerade der NS-Vergangenheit – nicht zum gewünschten Ergebnis führen. So kann die Überarbeitung des ersten Entwurfs zum Gedenkstättenkonzept als Niederlage der konservativen Seite interpretiert werden. Mit derselben Berechtigung lässt sich aber behaupten, dass konservative Kernanliegen – wie die deutliche materielle Ausweitung der Gedenkstättenarbeit zur DDR-Vergangenheit, die inhaltlichen Vorgaben des Blicks auf die DDR und auch die Parallelisierung von NS und DDR – nicht nur unter dem Stichwort Totalitarismus sondern auch unter einer allgemeinen Opferperspektive, Bestand haben.

Hintergrund: Totalitarismustheorie
Der Parallelisierung von DDR und „Nationalsozialismus“ liegt (nicht nur) im Falle des Gedenkstättenkonzeptes ausdrücklich oder stillschweigend das Totalitarismus-Konzept zugrunde. Dieses Konzept hat paradoxerweise nach dem Zusammenbruch des so genannten Realsozialismus eine Renaissance erfahren und wurde während des Kalten Krieges wie kein anderes politisch instrumentalisiert – ein erster Hinweis auf seinen primär politischen Charakter.[23] Befürworter wie Kritiker sehen das so. Der Historiker Ernst Nolte, Protagonist der historisch-genetischen Variante dieser Theorie, spricht von einem „überwältigenden Sieg“ des Begriffes „im alltäglichen Leben“.[24] Einer der wenigen Kritiker, Karl Heinz Roth, bezeichnete die Totalitarismusdoktrin seit ihrer Sanktionierung durch die überwältigende Mehrheit des Bundestags in der Enquete-Kommission „Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland“ als ‚politische Religion’ der Bundesrepublik Deutschland. Sie präge mit ihren Denkfiguren und Sprechakten fast die gesamte politische und publizistische Landschaft.[25]

Obgleich die Ursprünge der Theorie in der Auseinandersetzung mit dem italienischen Faschismus liegen, setzte – von der kurzen hochkonjunkturellen Phase während des Hitler-Stalin-Paktes abgesehen – ihr eigentlicher wissenschaftlicher wie politischer Siegeszug mit Beginn des Kalten Krieges ein. Je nach Land und Zeit war sie während der Systemkonfrontation den Veränderungen großpolitischer Konstellationen unterworfen. So wurde die Totalitarismustheorie in der Bundesrepublik Deutschland in Wissenschaft und politischer Öffentlichkeit infolge der 68er-Bewegung und der sozialliberalen Entspannungspolitik zurückgedrängt und partiell durch die Faschismustheorie ersetzt. Die Paradoxie der Renaissance der Totalitarismustheorie besteht darin, dass mit dem Ende des sozialistischen Versuchs in Osteuropa die politische Delegitimierungsfunktion ihren Gegenstand verloren hatte. Schließlich hatte in der politischen Kultur der westlichen Staaten die Totalitarismustheorie durch die Gleichsetzung von Kommunismus und Faschismus bzw. von rot und braun zur Diskreditierung der so genannten Ostblockstaaten gedient – und damit zur Legitimierung des eigenen politischen Systems. Darüber hinaus konnte durch die Totalitarismustheorie in Westdeutschland die Kontinuität des nationalsozialistischen Antikommunismus aufgenommen und gleichzeitig mit Verweis auf den nun existierenden „Totalitarismus“ im Osten eine Auseinandersetzung mit der eigenen faschistischen Vergangenheit zunächst weitgehend vermieden werden.

Paradox erscheint die Renaissance jedoch lediglich dann, wenn von der Dimension des kulturellen Kampfes um hegemoniale Deutungsmuster des 20. Jahrhunderts und der damit verknüpften Besetzung der Begriffe für die Zukunft abgesehen wird. Überdies muss die neue Blüte des Totalitarismusansatzes im Kontext mit ihrer Funktion für den Elitenwechsel in der ehemaligen DDR betrachtet werden. Des Weiteren spielen Bemühungen, die Nazi-Vergangenheit durch totalitarismustheoretische Vergleiche zu entsorgen, eine Rolle.

Und nicht zuletzt ist auf die Funktion der nachträglichen Diskreditierung eines alternativen Gesellschaftsentwurfs zum nunmehr konkurrenzlosen Kapitalismus mit seinen zunehmenden sozialen Polarisierungstendenzen zu verweisen.

Auffallend ist, dass selbst Befürworter des Totalitarismus- und des mit ihm verwandten Extremismusansatzes das erneute Aufblühen nicht auf wissenschaftliche Fortschritte zurückführen. Im Gegenteil: Es wird ein Forschungsbedarf, das Scheitern der statischen Totalitarismustheorie bzw. das Fehlen einer theoretisch befriedigenden, die historischen Unterschiede nicht verwischenden Totalitarismustheorie konstatiert.[26] Auch eine modernisierte Totalitarismustheorie sei nicht in der Lage, eine ausreichende Basis für einen tragfähigen Vergleich zwischen der so genannten „braunen“ und der „roten“ Diktatur zu gewährleisten. Aus diesem Grunde wird sie von Forschern durch die Kategorie der „modernen Diktatur“ bzw. einer vergleichenden Diktaturforschung ersetzt, was sie indes nicht darin hindert, das Wort „totalitär“ munter zu benutzen – dies wird dann als pragmatischer Umgang mit Begriffen bezeichnet.[27] Die politischen Implikationen freilich unterscheiden sich insofern kaum. Des Weiteren verstellt die holzschnittartige Gegenüberstellung von Diktatur und Demokratie den Blick auf die heutige Gefahr, die eben nicht in der Errichtung einer Diktatur nach altem Muster besteht, sondern vielmehr in der Aushöhlung demokratischer wie sozialer Rechte innerhalb der Demokratie[28] – was aktuell zum Beispiel unter dem Stichwort Postdemokratie (Colin Crouch) diskutiert wird. Zumindest für das bekannteste Totalitarismuskonzept – jenes von Friedrich und Brzezinski – gilt dies ebenso: Die gängige und im Kalten Krieg zur Gewohnheit gewordene Gegenüberstellung von ‚Totalitarismus’ einerseits, und ‚Demokratie’ andererseits, beruhe, wie Hans J. Lietzmann ausführt, auf einem populären, aber falschen Vorurteil. „Friedrich zeichnet sein Bild der ‚totalitären’ Diktatur vielmehr aus der Perspektive seiner Option für eine ‚konstitutionelle’ Diktatur.“[29] Antitotalitarismus müsse infolgedessen nicht per se demokratisch sein.

DDR als Sündenbock
Neben der Diskussion um totalitäre Staaten bzw. „moderne Diktaturen“ ist die Debatte um das Gedenkstättenkonzept auch im Kontext der geschichtspolitischen Diskussionen über die Opfer von Krieg und Vertreibung und die der alliierten Luftangriffe im Zweiten Weltkrieg zu betrachten – und als positiver Kontrapunkt im Zusammenhang mit der friedlichen Revolution und der Widerherstellung der deutschen Einheit. Das konservative Lager kann hierbei erste Erfolge verbuchen: Sowohl der Beschluss für ein Einheits- und Freiheitsdenkmal, als auch die Etablierung einer Dauerausstellung zum Thema Flucht und Vertreibung wurden zeitlich parallel zur Verabschiedung des Gedenkstättenkonzeptes durch den Deutschen Bundestag beschlossen. Auch durch diese Umsetzung geschichtspolitischer Wegweiser wurde der CDU/CSU die Zustimmung zur entschärften Variante des Gedenkstättenkonzeptes erleichtert. Neben der Festschreibung der eigenen Opferrolle in Form der „Vertriebenen“ konnte mit dem Beschluss zur Errichtung eines Einheits- und Freiheitsdenkmals ein positiver nationaler Identifikationspunkt gesetzt werden. Die Platzierung des Denkmals gegenüber dem abgerissenen Palast der Republik und auf dem Sockel eines alten Kaiserdenkmals hat eine nicht zu unterschätzende symbolische Bedeutung: Die Überwindung des historischen Unfalls der DDR und die positive Anknüpfung und Erweiterung des preußischen deutschen Erbes. Nicht triumphalistisch kommt diese neue Seite der deutschen Erinnerungspolitik daher, sondern als verdiente und geschichtspolitisch erworbene Ergänzung zu den Zeichen der deutschen Tätergeschichte. So schließt sich der Kreis der „Normalisierung“ eben gerade nicht durch Leugnung oder Relativierung deutscher Schuld, sondern durch deren Anerkennung, woraus das „Recht“ abgeleitet wird, auch ein Teil der Opfergeschichte des Faschismus zu werden. Somit hat die „Inkorporierung der Erinnerung“ in das nationale Selbstverständnis keineswegs die „Dauerrepräsentation unserer Schande“ zur Folge, sondern wird mit dem Verweis auf die angeblich so gelungene Vergangenheitsbewältigung selbst Quelle eines neuen nationalen Selbstbewusstseins. Es hat den Charakter eines abschließenden Rituals, welches mal implizit oder explizit mit dem Verweis auf die nun jahrzehntelange demokratische und rechtsstaatliche Tradition der Bundesrepublik durch die Übernahme „westlicher Werte“ einhergeht. Treffend hat die Journalistin Franziska Augstein die deutsche Haltung zur Vergangenheit seit 1990 verdeutlicht: „Im Inneren hat diese Normalisierung des Status quo dazu geführt, dass die aus dem Holocaust erwachsene historische Verantwortung immer großspuriger daherkommt. … Im Inneren der Bundesrepublik hingegen vermischt sich das Gedenken an die DDR mit der Erinnerung an den Nationalsozialismus. Beides gilt als überwunden, und die Bundesrepublik geht als Siegerin daraus hervor. Die DDR ist, mit einem mythologischen Bild gesagt, zum Sündenbock geworden, dessen Verscheiden der Bundesrepublik zu neuem Selbstbewusstsein verholfen hat.“[30]

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung scheint es zukünftig noch wichtiger zu sein, nicht nur die Tätergeschichte, die Geschichte von Interessen, Profiteuren, Mitläufern und Gleichgültigen zu betonen, sondern überdies eine ideologiekritische Durchdringung der diese Diskurse unterliegenden Totalitarismustheorie zu leisten. Denn diese erfüllt die Funktion einer „unkritischen Selbstdarstellung und der bedingungslosen Legitimation der Geschichte der Bundesrepublik“.[31]

Was der Gründer der Annales-Schule Lucien Febvre in dem diesem Artikel vorangestellten Zitat ganz allgemein über die Funktion der Geschichtspolitik zum Ausdruck brachte, ist vom (ostdeutschen) Schriftsteller Ingo Schulze in Bezug auf die Beschäftigung mit dem Ende der DDR und der so genannten Wiedervereinigung formuliert worden: „Über zwanzig Jahre friedliche Revolution zu sprechen und zu streiten heißt auch, über unsere heutige Welt nachzudenken. Vielleicht erweist sich ja meine Sichtweise als falsch. Das wäre zu ertragen. Was ich nicht ertrage, ist die Selbstgewissheit der ‚Sieger der Geschichte’, ihre Arroganz, mit der sie meinen, jenseits der Argumente, jenseits der Diskussion zu stehen, jenseits der Forderung zu handeln. Der Hochmut gegenüber dem Leben in der DDR ließe sich verschmerzen, wäre nicht sein heutiges Spiegelbild so kriminell. Diese Selbstgewissheit, die darin liegt, dass es nur eines besseren Managements bedarf, wird uns nicht retten.“ 1990 markiere – so heißt es weiter in Schulzes bemerkenswerten Essay „Mein Westen“ (SZ, 7./8.3.2009) – insofern eine Wende, „weil mit dem vermeintlichen ‚Ende der Geschichte’ von nun an Alternativen zum status quo als erledigt, gescheitert oder utopisch abgetan wurden. Sozialleistungen wurden zu Kostenfaktoren und Wachstumsbremsen. Der Markt zur heiligen Kuh, die Privatisierung zur Ideologie. Alles, was der reinen Lehre widersprach, erschien diskreditiert. Jenseits von Wachstum, Effizienz, Aktienkurs und Shareholder-Value galt nichts. Mit jedem Jahr hat sich die Gesellschaft mehr polarisiert. Man vergaß, dass Freiheit und Gleichheit zwei gleichberechtigte Forderungen sind.“

[1] Eine Kritik des Vergleichs von DDR und Drittem Reich kann hier nicht ausführlich vorgenommen werden. Vgl. hierzu zuletzt Wolfgang Wippermann, Dämonisierung durch Vergleich: DDR und Drittes Reich, Berlin 2009.
[2] Thomas Hofmann, Die Opfer der Sieger, in: Freitag, 30.7.2007.
[3] Thomas Hofmann, Bloß kein Erinnerungskombinat, in: Freitag, 23.3.2007.
[4] Vgl. hierzu Klaus-Dietmar Henke, Interesse und Erkenntnis. Ein Lehrstück konzertierter Krisenregulierung in den Geisteswissenschaften am Beispiel des Dresdner Hannah-Arendt-Instituts 1999-2002, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 51, (2003), Heft 3, S. 205-236.
[5] http://www.zentralratdjuden.de/de/article/199.html (letzter Abruf, 18.12.2008)
[6] Deutscher Bundestag, Drucksache 16/9875, S. 1 f.
[7] Letztlich stimmte nur die Fraktion DIE LINKE gegen das vorgelegte Gedenkstättenkonzept. Zur Begründung vergleiche die Rede der Abgeordneten Luc Jochimsen, Plenarprotokoll Deutscher Bundestag 16/187, S. 20086 ff.
[8] Deutscher Bundestag, Drucksache 16/9875, S. 7.
[9] Ebd., S. 4.
[10] Vgl. hierzu die alarmistische Studie von Monika Deutz-Schroeder und Klaus Schroeder, Soziales Paradies oder Stasi-Staat? Das DDR-Bild von Schülern – ein Ost-West-Vergleich, Berlin, München 2008. Martin Sabrow weißt in seiner Auseinandersetzung mit der Schroeder-Studie darauf hin, dass die Autoren selbst mit einem fest normierten Negativbild der DDR ausgestattet sind und alle Abweichungen von diesem vorgefassten Bild als Verherrlichung, respektive Verharmlosung der DDR werten. Vgl. Martin Sabrow, Wie, der Schüler kennt den Dicken mit der Zigarre nicht?, FAZ vom 4. Februar 2009, S. N 5.
[11] Vgl. ebd., S. 7.
[12] Ebd., S. 9.
[13] Vgl. hierzu Wolfgang Wippermann, Autobahn zum Mutterkreuz, Historikerstreit der schweigenden Mehrheit, Berlin 2008.
[14] Stellungnahme Prof. Dr. Volkhard Knigge, Ausschussdrucksache Nr. 16(22)132 g, S. 3 f.
[15] Vgl. ebd., S. 9.
[16] Ebd., S. 10.
[17] Stellungnahme Klaus-Dietmar-Henke, Ausschussdrucksache 16(22)131 h, S. 2.
[18] Ebd.
[19] Ebd., S. 3.
[20] Stellungnahme Martin Sabrow, Ausschussdrucksache 16(22) 131 e, S. 3.
[21] Alle Zitate ebd., S. 8 f.
[22] Stellungnahme Salomon Korn, Ausschussdrucksache 16(22) 131 i, S. 3 u. 8.
[23] Vgl. dazu generell Robert Erlinghagen/Gerd Wiegel, Das Totalitarismuskonzept. Zum wissenschaftlichen Gebrauchswert einer politischen Theorie, in: Johannes Klotz (Hrsg.), Schlimmer als die Nazis? „Das Schwarzbuch des Kommunismus“ und die neue Totalitarismusdebatte, Köln 1999.
[24] Zit. nach Marc-Pierre Möll (1998): Gesellschaft und totalitäre Ordnung. Eine theoriegeschichtliche Auseinandersetzung mit dem Totalitarismus, Baden-Baden 1998, S. 18.
[25] Karl Heinz Roth, Der Einfluß der Totalitarismustheorie auf die Bundestags-Enquete „Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland“ und Auswirkungen auf die politische Kultur der Bundesrepublik, in: Ansichten zur Geschichte der DDR, hrsg. von Ludwig Elm, Dietmar Keller und Reinhard Mocek, Bonn/Berlin 1998, S. 135.
[26] Eckhard Jesse (Hrsg.), Totalitarismus im 20. Jahrhundert. Eine Bilanz der internationalen Forschung, Bonn 1999, 2. Auflage, S. 20; Gerhard Besier (2006), „Die Totalitarismustheorie ist gescheitert“, in: Die Welt vom 1. November 2006; Clemens Vollnhals, Die Totalitarismustheorie im Wandel, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 39/2006, S. 27.
[27] Vgl. etwa Günther Heydemann/Detlef Schmiechen-Ackermann, Zur Theorie und Methodologie vergleichender Diktaturerfahrung, in: Günther Heydemann/Heinrich Oberreuter (Hrsg.), Diktaturen in Deutschland – Vergleichsaspekte. Strukturen, Institutionen und Verhaltensweisen, Bonn 2003, S. 10; 23.
[28] Vgl. Thomas Ahbe, Die Täter, ihre Opfer und „unsere“ Geschichte, in Freitag, 26.5.2006
[29] Hans J. Lietzmann, Politikwissenschaft im „Zeitalter der Diktaturen“. Die Entwicklung der Totalitarismustheorie Carl Joachim Friedrichs, Opladen 1999, S. 303.
[30] Franziska Augstein, in: Volker Knigge/Norbert Frei (Hrsg.), Verbrechen erinnern. Die Auseinandersetzung mit Holocaust und Völkermord, Bonn 2005, S. 251.
[31] Karl Heinz Roth, Der Einfluß der Totalitarismustheorie auf die Bundestags-Enquete „Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland“ und die Auswirkungen auf die politische Kultur der Bundesrepublik, in Ansichten zur Geschichte der DDR, Bd. IX/X. hrsg. von Ludwig Elm/Dietmar Keller/Reinhard Mocek, Bonn/Berlin 1998, S. 78.

(aus: Z. Zeitschrift Marxistische Erneuerung, Nr.  79, September 2009, zusammen mit Gerd Wiegel)

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