Ein Kommentar über das BDI-Eingeständnis, die Folgen von TTIP in zu schönen Farben gemalt zu haben
Von einer fehlerhaften Darstellung spricht der Industriellenverband BDI. Von einer bewussten Desinformationskampagne indes könne keine Rede sein. Nach der Veröffentlichung eines 36-seitigen Papiers der Organisation Foodwatch und eines offenen Briefes an den BDI-Vorsitzenden Ulrich Grillo sah sich dieser veranlasst zu reagieren.
In den Schreiben wurde nachgewiesen, dass der BDI eine Studie über die wirtschaftlichen Effekte des Freihandelsabkommens TTIP falsch zitiert – und zwar mehrfach. Nicht jährlich steigt das Bruttoinlandsprodukt um 119 Milliarden Euro, sondern in einem Zeitraum von zehn Jahren. Und dieser Effekt tritt nur ein, wenn das Abkommen zwischen den USA und der EU, das bekanntlich noch verhandelt wird, weitgehende Liberalisierungen festschreibe.
Immerhin, der BDI hat seine Website inzwischen korrigiert. Dabei ist die Kritik von Foodwatch nicht einmal neu. Das falsche Zitieren, das Herauspicken von Zahlen und den optimistischsten Prognosen wird von Kritikern schon lange moniert. Auch die falsche Rezeption der vom BDI benutzten Studie ist bekannt. Dass der BDI diesen »Fehler« nun einräumt, dürfte auch mit der wachsenden Anti-TTIP-Bewegung zusammenhängen – und daran, dass Foodwatch-Vorsitzender Thilo Bode jüngst mit einem Buch über TTIP an die Öffentlichkeit ging.
Das Pikante aber ist, dass nicht nur der BDI einem »Fehler« aufgesessen ist. Das Foodwatch-Papier listet eine ganze Reihe von Institutionen und führenden Politikern auf, die die Studien über ein mögliches Freihandelsabkommen in ihrem Sinne falsch wiedergeben. Die neoliberale Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, der Deutsche Industrie- und Handelskammertag, eine CDU-Broschüre, Kanzlerin Angela Merkel, CDU-Generalsekretär Peter Tauber, Ex-Handelskommissar Karel De Gucht, aber auch Nachrichtenagenturen und führende Medien wie FAZ oder Die Zeit – überall finden sich geschönte Informationen über die angeblich positiven Folgen von TTIP für Wachstum und Beschäftigung. Gut möglich, dass irgendeinem Mitarbeiter des BDI sogar eine Panne unterlief – was mehr als unwahrscheinlich ist. Dass aber im Grunde die gesamte Erzählung der TTIP-Befürworter auf der immer selben fehlerhaften Wiedergabe der wenigen Studien beruht, lässt nur einen Schluss zu: Der Begriff gezielte Desinformationskampagne kommt der Wahrheit näher.
aus: neues deutschland, 12.3.2015