Der neue Bericht an den Club of Rome setzt auf konkrete Maßnahmen, die den meisten Menschen nützen sollen
Jorgen Randers ist ein alter Hase im Geschäft der Zukunftsforschung. Der norwegische Wissenschaftler war bereits als Mitautor des weltberühmten Berichts an den Club of Rome über »Die Grenzen des Wachstums« beteiligt. Der 71-Jährige kann daher auf einen über 40-jährigen Erfahrungsschatz zurückblicken. Dieser hat ihn gelehrt, dass man mit der bisherigen Praxis nicht weiterkommen könne. Wieder und wieder habe man auf die drängenden ökologischen Probleme hingewiesen – ohne Resultat.
Die Folge: Jetzt müssten konkrete Lösungen her! Das sagte Randers am Dienstag in Berlin bei der Vorstellung des neuen Berichts an den Club of Rome »Ein Prozent ist genug. Mit wenig Wachstum soziale Ungleichheit, Arbeitslosigkeit und Klimawandel bekämpfen«.
Und zwar geht es um Lösungen, die den Menschen deutlich machten, dass zumindest die 99% von ihnen davon Vorteile haben und nicht Opfer erbringen müssten. »Denn«, so Randers, »die Menschen wollen reisen und Geld ausgeben.« Sein Ko-Autor Graeme Maxton skizzierte bei der Präsentation die Probleme: Wir lebten in einer Welt, in der wir immer mehr wollten, mehr Wachstum, Eigentum und Konsum. Das indes führe zu ökologischen und sozialen Problemen. Stichwort Klimawandel.
Bemerkenswert ist, dass in dem neuen Bericht der Fokus gleichrangig auf soziale Probleme wie Arbeitslosigkeit und Ungleichheit gelegt wird. Maxton, seit 2014 Generalsekretär des Club of Rome, macht auf folgendes Paradoxon aufmerksam: »Während der letzten 30 Jahre haben wir das stärkste Wirtschaftswachstum gehabt, die Probleme aber sind schlimmer geworden. Obwohl die Ökonomen uns etwas anderes erzählt haben.« Diese würden Wirtschaftswachstum als Voraussetzung für die Verringerung der Arbeitslosigkeit und der Ungleichheit ansehen. »Wachstum«, so Maxton, »ist aber nicht die Lösung des Problems, sondern die Ursache.« Deshalb müsse eine neue Perspektive her: »Wir müssen das Wirtschaftssystem ändern«, so die Forderung.
Wie eine nachhaltige und soziale Welt erreicht werden könne, dazu präsentierten die Autoren 13 Vorschläge. Sie sollen leicht realisierbar sein, obwohl, so Randers, manche provokant und manche seltsam seien. In der Tat: In die Kategorie provokant und seltsam fallen vor allem zwei Vorschläge: zum einen der, Frauen dafür zu belohnen, nur ein Kind oder besser keins zu bekommen. Hintergrund hier ist die neomalthusianische Annahme, dass es zu viele Menschen auf der Erde gebe, was von Maxton auch explizit so gesagt wurde. Problematisch auch die Forderung nach einem höheren Renteneintrittsalter, »damit ältere Menschen ihren Lebensunterhalt so lange bestreiten können, wie sie wollen«. Das klingt nach dem neoliberalen Credo, das auf eine Kürzung der Rente hinausläuft.
Andere sozialpolitische Forderungen gehen in eine andere Richtung. So plädieren Maxton und Randers für mehr bezahlte Urlaubstage, ein existenzsicherndes Grundeinkommen und für die Bezahlung häuslicher Pflegearbeiten. Zudem sollte das Arbeitslosengeld erhöht und Gewerkschaften gestärkt werden.
Die ökologischen Probleme wollen die Autoren vor allem mit der Auflegung eines grünen Konjunkturpakets angehen. Dazu soll zusätzlich Geld gedruckt werden, das an die Menschen zu verteilen ist. Überdies fordern sie eine Umstellung des Steuersystems. Fossile Brennstoffe wie Öl und Gas sollen stärker besteuert und die Einnahmen fair verteilt werden. »Weg von der Einkommens-, hin zur Rohstoffbesteuerung«, fasste Randers zusammen. Die soziale Ungleichheit wollen sie mit einer höheren Besteuerung von Erbschaften, Reichen und Unternehmen bekämpfen.
Wie realistisch diese Vorschläge seien? Darauf Maxton: »Unsere Lösungen funktionieren, sie werden zum Teil schon in Skandinavien und Deutschland angewendet.« Auf die Frage, ob mit einer Bevölkerungspolitik nicht besser in den Ländern des Südens angefangen werden müsse, schließlich nehme dort die Bevölkerung rasant zu, antwortete Randers: »Meine Tochter, jung und gut ausgebildet, ist das gefährlichste Wesen auf dem Planeten. Sie konsumiert 30 mal mehr Naturressourcen als eine Frau in Indien.«
Trotz dieses berechtigten und plastischen Hinweises auf den ungerechten Ressourcenkonsum zwischen dem Globalen Norden und Süden, muss hier die Kritik ansetzen: Selbst als pars pro toto für die imperiale Lebensweise des globalen Nordens bleibt Randers einprägsames Beispiel von seiner Tochter als gefährlichstem Wesen des Planeten problematisch, weil es personalisiert und auf die Konsumseite abhebt, wo über Strukturen und die Zwänge der kapitalistischen Produktionsweise zu reden wäre. Die deutlich formulierte Marktskepsis und viele richtige Vorschläge können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Vorschläge teils problematisch und unzureichend sind.
Jorgen Randers/Graeme Maxton: Ein Prozent ist genug. Mit wenig Wachstum soziale Ungleichheit, Arbeitslosigkeit und Klimawandel bekämpfen. Der neue Bericht an den Club of Rome. oekom-Verlag, München 2016, 288 S., 22,95 €.
aus: neues deutschland, 14.09.2016