Über die Brexit-Erklärung von Kanzlerin Merkel
Wie du mir, so ich dir, könnte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel gedacht haben. Die CDU-Politikerin konterte in ihrer Regierungserklärung am Donnerstag den harten Brexit-Kurs der britischen Premierministerin Theresa May mit einer harten Brexit-Verhandlungsstrategie. Erst soll über die dem Vernehmen nach 60-Milliarden-Euro-Rechnung, also die finanziellen Verpflichtungen der Briten über den Austritt hinaus, gesprochen werden.
Danach kann es um das zukünftige Verhältnis der EU zu Großbritannien und um ein Freihandelsabkommen gehen. May und ihr Brexit-Minister stellen sich das anders vor: Sie wollen beide Themen parallel verhandeln.
Damit stehen die Zeichen auf Scheidungskrieg. Zumal Merkels Position mit der der verbleibenden EU-Staaten übereinstimmt und May mit dem zu erwartenden Sieg bei den Parlamentswahlen Anfang Juni innenpolitisch gestärkt die Verhandlungen aufnehmen kann.
Merkels Regierungserklärung und die EU-Leitlinien sind nicht frei vom Geist der Bestrafung. Das ist bedauerlich. Es wurde die Chance vertan, nach dem Brexit-Votum darüber nachzudenken, warum so viele Menschen nicht nur auf der Insel der offiziellen Erzählung der EU als einzigartige Erfolgsgeschichte keinen Glauben schenken wollen. Das könnte etwa mit den enormen sozialen Unterschieden zu tun haben. Ein Wort dazu von Merkel am Tag nach der Vorstellung der – dürftigen – EU-Sozialstrategie? Fehlanzeige!
aus: neues deutschland, 28.4.2017