Der Aufsichtsratsvorsitzende der Deutschland-Tochter von Blackrock, Friedrich Merz, sagte, als er seine Kandidatur für den CDU-Vorsitz verkündete: Blackrock verwalte treuhänderisch Einlagen von Hunderttausenden privaten Kunden. Sein Parteikollege Christian Freiherr von Stetten machte daraus im Interview mit dem Deutschlandfunk: »Blackrock ist ein Vermögensverwalter, das heißt, Hunderttausende von Arbeitnehmern haben diesem Konzern ihr Vermögen gegeben, um anschließend, wenn sie in Rente gehen, auch ein gutes Auskommen zu haben.«
Merz‘ Aussage ist eine Klitterung, die seines parteiinternen Unterstützers eine dreiste. Denn sie suggeriert, dass normale Arbeitnehmer_innen nur dank Blackrock ihren Lebensabend genießen können.
Was aber verbirgt sich hinter dem Namen Blackrock? Das 1988 von Laurence, genannt Larry Fink gegründete Finanzunternehmen ist seit 2009 der größte Vermögensverwalter weltweit. 6,2 Billionen US-Dollar werden durch die New Yorker Firma verwaltet. Das ist knapp doppelt so viel wie das jährliche Bruttoinlandsprodukt der Bundesrepublik und das Doppelte dessen, über das alle Hedgefonds weltweit zusammen verfügen. Aber Blackrock überwacht indirekt noch ein paar Billionen US-Dollar mehr. Denn sein Computersystem Aladdin stellt es gegen Gebühren anderen Investoren zur Verfügung. Über 170 institutionelle Kapitalsammelstellen sind bereits Kunden.
Aladdin ist so etwas wie die Big-Data-Maschine des algorithmusgetriebenen Finanzkapitalismus. Es ist das Herzstück von Blackrock und Ausdruck einer Sicherheitsparanoia von Larry Fink. Denn der hatte 1986 bei seinem früheren Arbeitgeber 100 Millionen Dollar verspekuliert. Dazu sollte es nie wieder kommen. Über 5.000 Rechner führen Hunderte Millionen Kalkulationen pro Woche aus. Ziel ist es, Risiken jeglicher Art für eine gewinnbringende Kapitalanlage einzuschätzen, seien es Finanzblasen, Dürren oder politische Unruhen. Ein Erfolgsrezept.
Als die Finanzkrise 2008 die Weltwirtschaft in den Abgrund zog, schlug die Stunde Blackrocks. Das Unternehmen bekam den Auftrag der US-Regierung für das Management der toxischen Finanzpapiere, die der Staat mit der Verstaatlichung der Pleitebanken übernommen hatte. Andere Regierungen folgten, selbst Zentralbanken nehmen die Dienste der rund 13.000 Blackrock-Mitarbeiter_innen in Anspruch.
Ein weiterer Meilenstein auf den Weg zum größten Finanzverwalter ist der Einstieg in die britische Bank Barclays. Mit diesem erwarb man die Rechte an der Indexfondssparte iShares. Diese dominiert das weltweite Geschäft mit börsengehandelten Fonds. Blackrock ist überdies der größte Aktionär der »deutschen Wirtschaft«, an allen DAX-Konzernen ist die Firma beteiligt. Zwar liegt der Anteil meist nur bei zwei bis sechs Prozent. Doch da sich 80 Prozent der DAX-Aktien in Streubesitz befinden, genügt es bereits, wenn man Anteile im geringen Prozentbereich hält, um Einfluss auszuüben. Auch bei vielen Multis wie Apple oder Exxon Mobile hält der schwarze Riese Aktien, insgesamt an 17.000 Konzernen.
Kritiker monieren daher, dass Blackrock ein heimlicher Herrscher über das Kapital sei, der Gefahren für die Stabilität der Finanzmärkte hervorrufe.
Da ist etwas dran. Und das hängt zum einen mit dem Herdentrieb der Finanzmärkte zusammen. Dieser droht stärker zu werden, wenn immer mehr Investoren nach Kriterien Blackrocks und seines Computersystems entscheiden. Ein anderer Kritikpunkt ist die Rolle Blackrocks als Aktienbesitzer. Wenn einzelne Investoren zu große Aktienpakete halten, kann es passieren, dass die Papiere im Krisenfall nicht mehr verkauft werden können. Das Bild des Elefanten im Teich, der das Boot potenziell zum Schaukeln bringen könne, veranschaulicht das.
Der Aufstieg Blackrocks zum größten Vermögensverwalter ist indes auch Ausdruck des Aufstiegs der Schattenbanken infolge der Krise von 2008. Als man begann, Banken mehr schlecht als recht zu regulieren, wanderte das Kapital in Geldmarktfonds und andere unregulierte Fondsgesellschaften ab. Blackrock wird somit auch als größte Schattenbank der Welt bezeichnet. Die zu vernehmende Kritik an Blackrock blendet allerdings die polit-ökonomische Grundstruktur aus, die das Phänomen erst ermöglicht: ein deregulierter Finanzmarktkapitalismus, der durch Umverteilung, Steuervermeidung und Privatisierung eine gigantische Konzentration von Finanzvermögen in den Händen weniger ermöglicht.
Ein großes Ziel Blackrocks ist es, die Rentensysteme zu privatisieren. Das würde dem Konzern riesige neue Anlagemöglichkeit eröffnen. Dass sich die Lohnabhängigen dadurch ein besseres Auskommen im Alter versprechen können, ist nicht anzunehmen.
aus: analyse & kritik Nr. 643, 13.11.2018