Das Hamburger Museum der Arbeit stellt vor, wie Digitalisierung, Roboter und künstliche Intelligenz unsere Arbeit erledigen. Die Zukunft wird auch lustig.
Machen Sie den Test! Können Sie Bilder oder Musikstücke, die von künstlicher Intelligenz (KI) erschaffen wurden, von menschlichen Kunstwerken unterscheiden? Ich mache den Test – und bestehe ihn nicht. Aber das kann auch daran liegen, dass mir die musikwissenschaftliche Expertise fehlt, um einen Bach- von einem KI-Choral zu unterscheiden. Oder daran, dass die zu hörenden Mainstream-Pop-Stücke nichts für meine Ohren sind.
Wie auch immer: Längst verdrängen digitale Anwendungen und Roboter den Menschen nicht nur in der künstlerischen Arbeit. Studien, die die Ersetzbarkeit von gewöhnlichen Berufen prognostizieren, werden fast täglich durch das mediale Dorf getrieben. Eine davon hat sich das Museum der Arbeit in Hamburg zum Ausgangspunkt seiner aktuellen Sonderausstellung genommen. 2013 prognostizierten der Ökonom Carl Frey und der Informatiker Michael Osborne, dass in ein bis zwei Jahrzehnten fast die Hälfte aller Berufe in den USA durch Roboter und KI bedroht sein würde. An insgesamt elf thematischen Stationen, oft per Video, werden die damit zusammenhängenden fundamentalen Umbrüche in der Arbeitswelt diskutiert.
Out of Office präsentiert sich dabei angenehm nüchtern. Technikgläubige, die sich von künstlicher Intelligenz und Digitalisierung neue Wachstumsschübe für die stagnierenden Ökonomien der kapitalistischen Zentren oder die Lösung der Umweltfrage erhoffen, kommen hier nicht auf ihre Kosten. Horrorszenarien gibt es aber auch nicht zu sehen.
Gleichwohl werden beide Extreme aufgegriffen. Das eine bringt ein Aphorismus von Stanislaw Lem zum Ausdruck: „Jede Arbeit, die auch von Robotern erledigt werden kann, ist des Menschen unwürdig.“ Demzufolge wäre es zu begrüßen, wenn schwere körperliche Tätigkeiten durch Maschinen ersetzt werden. Für die Mühsal der Parkettabzieher auf dem gezeigten Gemälde von Gustave Caillebotte gibt es heute Schleifmaschinen. Die Plackerei im Eisenwalzwerk, wie sie auf dem berühmten Bild von Adolph Menzel dargestellt wird, ist wohl nur noch im Globalen Süden zu finden.
Robbe in der Demenztherapie
Das andere Extrem lässt sich mit einer Aussage Stephen Hawkins auf den Punkt bringen: „Die Entwicklung der vollständigen KI könnte das Ende der Rasse bedeuten.“ So drastisch muss man es gar nicht sehen. Aber es birgt durchaus enormen sozialen Sprengstoff, wenn im digitalen Kapitalismus nicht nur körperliche Arbeiten, sondern auch hoch qualifizierte geistige Berufe durch Software ersetzt werden können.
Welche Berufe das sein könnten, wird in der Ausstellung von der Schauspielerin Marie Schöneburg in mehreren Videoaufzeichnungen anschaulich verdeutlicht. Sie stellt das Automatisierungspotenzial und Entwicklungstrends exemplarisch anhand von Berufen wie Ärztin, Pflegerin, Busfahrerin oder Software-Entwicklerin dar. Als Altenpflegerin räsoniert Schöneburg beispielsweise über Vorteile und Nachteile des Einsatzes des Pflegeroboters Paro. Der einem Robbenbaby nachempfundene Roboter wird bereits in über 30 Ländern in der Demenztherapie eingesetzt. Wenn man ihn streichelt, gibt er wohlige Geräusche von sich, er kann mit dem Kopf wackeln und Namen lernen. Aber für die Angehörigen könnte Paro als Alibi fungieren, sich nicht mehr um die alte Mutter im Heim zu kümmern. „Die Elisabeth hat doch jetzt ihre Robbe“, lässt Schöneburg ihre Pflegerin sagen.
Paro übrigens ist neben weiteren Robotern in Hamburg zu bewundern und ein Höhepunkt der Ausstellung. Immer wieder hört man es lachen, weil Besucher mit dem humanoiden Roboter Nao reden. Auf Kommando legt dieser sich hin und kommentiert das mit den Worten „Das ist aber bequem“. Auf manche Fragen folgt aber nur Schweigen, etwa auf die, ob er Gefühle habe.
Neben sachlichen Experten-Interviews erfolgt die Auseinandersetzung mit der Frage der Verdrängung durch KI auch mittels der Präsentation künstlerischer Arbeiten. So setzt sich Agnieszka Kruczek in ihrer Animation mit „Zukunftsszenarien“ auseinander. Ein Aphorismus, der in ihrem Film zitiert wird, weist auf einen Aspekt hin, der in Out of Office zu kurz kommt: „Die besten Köpfe meiner Generation denken darüber nach, wie man Leute dazu bringt, auf Werbung zu klicken“, stellt der Datenwissenschaftler Jeff Hammerbacher fest. Im Kapitalismus sind die Akteure in der KI-Entwicklung primär Unternehmen, die Profit erzielen wollen. Immerhin aber werden Fragen der sozialen und politischen Regulierung der technologischen Prozesse im sogenannten Forum behandelt. Der Besucher kann hier an vier Stationen per Computer Fragen beantworten. Zum Beispiel, ob eine Robotersteuer und ein bedingungsloses Grundeinkommen zur sozialen Absicherung eingeführt werden sollen. Gar Fragen des dem Kapitalismus inhärenten Wachstumszwangs, einer Gütergemeinschaft und von Open Source werden aufgeworfen.
Die Ausstellung entlässt mich übrigens mit der Gewissheit, dass mein Job so rasch noch nicht von einem Roboter erledigt werden wird. Nur 20 Prozent der journalistischen Tätigkeiten sind von der Automatisierung bedroht. Noch mal Glück gehabt.
Out of Office. Wenn Roboter und KI für uns arbeiten Museum der Arbeit Hamburg, bis 19. Mai 2019
aus: der Freitag, Ausgabe 49/2018