In dieser Sache neigt man fast dazu, einer Meinung mit Donald Trump zu sein: Wenn Facebook vorhat, mit seiner Währung Libra de facto zu einer Bank zu werden, müsste diese sich der Bankenregulierung unterwerfen, sagte der US-Präsident, als Facebook seine Pläne zur Einführung einer eigenen Währung vorgestellt hatte.
Was ist Libra? Die bisher bekannt gewordenen Pläne sehen so aus: Facebook will mit Libra eine digitale Währung schaffen, die es ermöglicht, schnell, günstig und kinderleicht mit dem smarten Handy Zahlungen abzuwickeln – und das weltweit. Damit träte Libra in Konkurrenz zu traditionellen Banken, Kreditkartenanbietern oder Geldtransfer-Diensten, die recht hohe Gebühren verlangen. Facebook will Libra zunächst in seine eigenen Messenger-Dienste (Facebook, WhatsApp, Instagram) integrieren. Mit der sogenannten Wallet-App, verwaltet durch die Facebook-Tochter Calibra, sollen aber auch Personen ohne Social-Media-Konto die Kryptowährung nutzen können.
Facebook legt Wert darauf, dass Libra keine Facebook-Währung sein soll. In der Tat arbeit nicht nur Facebook an der Entwicklung. An der Libra Association mit Sitz in Genf sind weitere Global Player des sogenannten Überwachungskapitalismus wie Uber, Paypal, Mastercard oder Visa beteiligt. Eintrittskarte in den illustren Club: eine Zehn-Millionen-US-Dollar-Investition und ein Marktwert von mindestens einer Milliarde.
Im Gegensatz zur bekanntesten Kryptowährung Bitcoin soll Libra ein sogenannter Stable-Coin sein, also im Wert stabil sein. Das Mittel dazu: Die Libra soll an einen Korb von Währungen, Dollar, Euro etc. gebunden und durch Staatsanleihen abgesichert werden.
Warum stößt Libra auf so viel Skepsis und Kritik? Datenschutzrechtliche Bedenken seien hier vernachlässigt. Sie treffen zu, obwohl Facebook beteuert, die Zahlungsdaten nicht mit den Daten aus seinen anderen Diensten zu kombinieren. Was dieses Versprechen wert ist, hat das nicht gehaltene Versprechen bei der Übernahme von WhatsApp gezeigt.
Viel gravierender sind die Folgen für nationale Währungen und das globale Währungssystem. Denn Facebook ist ein Gigant. Über zwei Milliarden Menschen sind bei seinen Diensten registriert. Mit der Libra-Einführung würde das Unternehmen mit einem Schlag zum größten Vermögensverwalter, zur größten Schattenbank der Welt werden. Die Gefahr dabei: Die Libra Association – de facto eine Art Zentralbank in privater Hand – könnte mit seinem Konzerngeld die Macht der nationalen Notenbanken untergraben und so eine weitere Gefahr für das ohnehin instabile Finanzsystems werden.
Sofern es tatsächlich bei der Ankündigung bleibt, dass die Libra zu 100 Prozent gedeckt ist, droht für die Währungen des kapitalistischen Zentrums kaum Gefahr. Um so mehr jedoch für periphere Staaten mit schwachen Währungen. Ihnen droht die Flucht in die Libra und damit ein Verfall des nationalen Geldes. Massive ökonomische Krisen und soziale Verwerfungen wären die Folge.
Wenn die Libra Association indes vom privaten Vollgeld abrücken sollten, sprich die Libra beispielsweise nur zur Hälfte gedeckt ist, wird der FED oder der EZB die Fähigkeit, auf die Steuerung der Geldmenge Einfluss zu nehmen, eingeschränkt. Zudem wird die Libra zu einer Konkurrenz auch für den US-Dollar und den Euro.
Nun muss man die staatliche Souveränität über Währungen und die Aktivitäten von Notenbanken nicht idealisieren. Aber sie sind eher demokratisch kontrollierbar als ein Privatkonzern. In der Krise von 2008 haben sie durch Zinssenkungen und Aufkaufprogramme dazu beigetragen, die Krisenfolgen etwas abzumildern.
Dieses Instrument, so der Tenor von vielen kritischen Analysen zur Facebook-Währung, hätten Zentralbanken nicht mehr, wenn ihre Macht durch die Libra infrage gestellt wird. Allerdings ist diese ohnehin bereits stark eingeschränkt, weil die Zinsen immer noch nahe Null liegen. Insofern ist auch die Kritik von vielen Politiker*innen, die vor der Privatisierung des Geldes warnen, wohlfeil. Denn im Grunde ist das Geld schon längst privatisiert. Die Zentralbanken geben je nach Schätzung nur bis zu 15 Prozent der umlaufenden Geldmenge aus (Noten und Münzen). Die übergroße Mehrheit wird durch private Banken aus dem Nichts geschöpft (Giralgeld). Und der größte private Geldschöpfer mit einem riesigen Geldschöpfungsgewinn (Seigniorage) könnte bald Facebook sein. Eine Regulierung allein ändert daran nichts. Und ohnehin ist die Regulierung, die infolge der letzten Krise erfolgte, von Trump wieder zurückgenommen worden.
aus: analyse & kritik, Nr. 651 / 20.8.2019