Vordergründig ist es eine Spionagegeschichte, doch schaut man genauer hin, ist der Streit um den chinesischen Telekommunikationsausrüster Huawei Ausdruck der Verschiebungen im kapitalistischen Weltsystem.
Mitte Mai rief US-Präsident Trump den nationalen Kommunikationsnotstand aus und setzte Huawei auf eine Art Schwarze Liste. Begründung: Huawei bedrohe die nationale Cybersicherheit, es könne ausländische Mobilfunknetze ausspähen und Infrastrukturen sabotieren. Nun ist es US-Firmen untersagt, ohne Erlaubnis der Regierung Geschäfte mit dem Telekommunikationsausrüster zu machen. Washington übt zudem Druck auf europäische Staaten aus, diesem Beispiel zu folgen.
Ob die Vorwürfe der Spionage berechtigt sind? Zurzeit gibt es dafür keine handfesten Beweise, denkbar ist es. Aber wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen schmeißen. Die NSA hackte seit 2006 schon mehrmals Huawei.
Werden Deutschland und andere europäische Staaten Frontstaaten im globalen Wirtschaftskrieg? Für Deutschland lässt sich sagen: Es hat sich bislang geschickt aus der Frontlinie gezogen. Huawei wird nicht komplett von der Versteigerung der 5G-Frequenz ausgeschlossen, sondern nur für strategisch wichtige Kernbereiche des Netzwerkes. Zudem soll Huawei ein Anti-Spionage-Abkommen mit Deutschland abschließen. Damit hofft die Regierung, die Befürchtungen der USA zu entkräften. Die meisten anderen europäischen Staaten setzten Huawei ebenfalls nicht auf die Verbotsliste.
Sie haben auch kaum eine Alternative, denn Huaweis Rolle als Telekommunikationsausrüster ist mittelfristig schlicht nicht ersetzbar. Würde Europa auf Huawei-Sendemasten verzichten, stünde keine Alternative für den flächendeckenden 5G-Ausbau bereit. Nokia aus Finnland und Ericsson aus Schweden haben nicht die Kapazitäten und sind zudem technologisch nicht auf so einem modernen Stand wie der chinesische Konkurrent. Überdies sind sie teurer.
Huawei hat auch im Vergleich zu US-Firmen bei der Netztechnologie die Nase vorn. Und das ist auch der Grund, warum die USA gegen den 1987 gegründeten Konzern aus dem Reich der Mitte vorgehen. Die USA befürchten gerade bei so einer entscheidenden Zukunftstechnologie um ihre bis dato unangefochtene Dominanz in der kapitalistischen Staatenwelt. Die Ironie dabei: Ausgerechnet das nominell von einer kommunistischen Partei regierte China schickt sich an, die USA als führende kapitalistische Macht abzulösen. Dabei hatten US-Regierungen ab Ende der 1970er Jahre China hofiert, um den Hauptfeind im Kalten Krieg, die Sowjetunion, zu schwächen. Ab Anfang der 1980er ließen sich viele westliche Konzerne in China nieder. Sie profitierten von dem niedrigen Lohnniveau; China wurde zur Werkbank der Welt. Nach dem Ende des Kalten Krieges wurde China in die neoliberale Weltordnung integriert, 2001 wurde das Land Mitglied der WTO. Doch geschickt wussten die chinesischen Staatsführer, sich aus der abhängigen Rolle als Werkbank der Welt zu befreien. China wurde zum Zentrum der Kapitalakkumulation.
Dass die USA dies mit Sorge sehen, ist nicht erst seit Trump so. Schon sein Vorgänger Obama reanimierte ein Instrument aus dem Kalten Krieg: den Koordinationsausschuss für multilaterale Ausfuhrkontrollen. Damals diente er zur Regulierung des Exports westlicher Technologien in die Ostblockstaaten, unter Obama nach China. Er war es auch, der im Rahmen seiner Strategie »Pivot to Asia« US-Militär verstärkt nach Asien verlegte.
Ein Merkmal kapitalistischer Hegemoniemächte haben die USA bereits an China verloren: Zentrum der globalen Produktion zu sein. Doch die Staaten üben mit ihrem Kapital weiterhin die finanzielle Kontrolle über die Produktion an den neuen Standorten aus. Das liegt daran, dass der US-Dollar die Weltwährung ist und die USA sich somit in ihrer eigenen Währung verschulden können. Zudem daran, dass die Staaten mit der Wall Street Zentrum des finanzialisierten Kapitalismus sind und mit Abstand den größten militärisch-industriellen Komplex aufweisen.
Auf diese Weise könnte der Kampf um Huawei den ohnehin schon offen ausgebrochenen Konflikt – Stichwort Handelskrieg – zwischen dem im Abstieg befindlichen US-Kapitalismus und dem aufsteigenden chinesischen Staatskapitalismus weiter befeuern.
Andere kapitalistische Zentren, vor allem in Europa, werden in diesem Konflikt rapide an Einfluss verlieren. Angesichts der ökonomischen Abhängigkeiten von China wie von den USA – als Produktionsstandort und als Absatzmarkt – bleibt ihnen nur die Möglichkeit des Lavierens. Mit Blick auf die Frage, ob die ökonomischen Konflikte in Zukunft auch kriegerisch ausgetragen werden, ist das nicht das Schlechteste.
aus: analyse & kritik, Nr. 650 / 18.6.2019