Anstatt Ökosteuern einzuführen, einfach mal nichts tun
CO2-Steuer, Nettonull und Klimanotstand: Vor den Wahlen zum Europäischen Parlament (EP) ist Bewegung in die europäische und deutsche Umweltpolitik gekommen. Die Einführung einer Steuer auf Kohlendioxid avancierte im Rededuell der beiden Spitzenkandidaten Frans Timmermans (SPE) und Manfred Weber (EVP) gar zum Spitzenthema. Und Ex-»Klimakanzlerin« Angela Merkel legte beim Petersberger Klimadialog das Bekenntnis ab, Deutschland werde bis 2050 treibhausgasneutral werden. Einem Vorstoß von neun europäischen Staaten hatte sie eine Woche zuvor noch eine Abfuhr erteilt. Dazu mag sie auch das neue Phänomen des Klimanotstands veranlasst haben. Großbritannien und Irland riefen diesen als erste Länder aus. In Deutschland tat es Konstanz als erste Stadt, es folgten Kiel und Ludwigslust. In zahlreichen Städten gibt es zudem Initiativen und im Bundestag die Linksfraktion, die Ähnliches fordern. Klimanotstände haben zwar keine rechtlich verbindlichen Folgen, sollen aber mehr sein als nur Symbolpolitik.
Ohne die neue Klimabewegung Fridays for Future wäre die Politik wohl kaum so in Bewegung gekommen. Mit der Ausrufung der Klimanotstände ist sie sogar auf eine Forderung der freitäglichen Schülerproteste eingegangen. Das ist schon einmal ein Erfolg.
Ein minimaler Erfolg ist auch die Diskussion über die CO2-Steuern. Einerseits weil diese mehr bringen als marktkonforme Emissionshandelssysteme. Andererseits weil diese im Unterschied etwa zur Ökosteuer unter Rot-Grün zumindest in einer Hinsicht sensibler geführt wird: Verbrauchssteuern belasten Rentner*innen, Erwerbslose und Geringverdienende stärker als Reiche. Das dürfte auch der Grund sein, warum sich in Umfragen rund zwei Drittel der Deutschen gegen die CO2-Steuer aussprechen – selbst dann, wenn die Steuer an anderer Stelle wieder zurückgezahlt würde, wie es zurzeit vorgeschlagen wird. Man kann dies als Ablehnung von Umweltschutz werten, der etwas kostet. Eher ist es wohl Ausdruck des Misstrauens gegenüber der Regierung, wirksamen Klimaschutz zu betreiben. Seit Beginn von Merkels Kanzlerschaft sind die Emissionen von Treibhausgasen kaum gesunken – aller Rhetorik und Symbolpolitik zum Trotz.
Generell sind von einer möglichen Einführung einer CO2-Steuer aber keine Wunder zu erwarten – es kommt auf ihre konkrete Ausgestaltung an. Erfolgversprechender als komplizierte Steuern einzuführen wäre es, einfach mal nichts zu tun. Keine fossilen Brennstoffe mehr in Milliardenhöhe subventionieren, Kohle, Öl und Gas im Boden belassen und keine weiteren Lizenzen für Flughäfen erteilen beispielsweise. Das Einfache, das schwer zu machen ist. Denn innerhalb des herrschenden Blocks ist das fossile Kapital immer noch sehr einflussreich. Vielleicht sorgen radikalere Klimabewegungen wie Extinction Rebellion oder die antikapitalistische Plattform innerhalb von Fridays for Future, Change for Future, dafür, dass sich die Politik auch nach der EP-Wahl genötigt sieht zu handeln.
aus: analyse & kritik 649 vom 21.5.2019