Es ist eine eher randständige Nachricht über den Bitcoin: El Salvador hat als erstes Land der Welt beschlossen, die Digitalwährung als gesetzliches Zahlungsmittel zuzulassen. Die dominierenden Nachrichten über den Bitcoin der letzten Wochen betrafen aber den dramatischen Kursverlust. Von 60.000 Dollar ging es runter auf 30.000! Neben dem Bitcoin, der dominierenden Kryptowährung, waren andere teils sogar noch stärker betroffen.
Was waren die Gründe für den Crash? Einerseits hatte Tesla-Chef Elon Musk auf Twitter spekuliert, seine Bitcoin-Investments abstoßen, die Währung als Zahlungsmittel wieder auszuschließen zu wollen und deren enorm hohen Stromverbrauch bei der Entstehung (dem sog. Mining) kritisiert. Andererseits gab es aus China deutliche Signale, dass der Bitcoin reguliert werden soll. Die Führung in Peking hatte bekräftigt, gegen die Herstellung von Kryptowährungen vorgehen zu wollen. Mining-Firmen in China kündigten daraufhin an, ihre Standorte in andere Länder zu verlagern. Anfang Juni verschärfte China seinen Kurs gegen den Bitcoin abermals. Benutzerkonten von einflussreichen Krypto-Fans wurden auf der Social-Media-Plattform Weibo gesperrt. Schließlich kam aus den USA noch die Meldung, dass das dortige Finanzministerium erwägt, eine Meldepflicht für Krypto-Transaktionen von mehr als 10.000 Dollar einzuführen. Anhänger*innen der digitalen Währung schmeckt das gar nicht, weil sie gerade deren Anonymität schätzen.
Egal also, ob in China, den Vereinigten Staaten oder der EU: Überall sind Regulierungen von Kryptowährungen in Planung. Sicher ein Grund für die heftigen Abstürze der Währungen im Mai. Aber nicht der einzige: Die krasse Ungleichheit beim Besitz des Bitcoins spielt ebenfalls eine Rolle. Etwa zwei Prozent der anonymen Besitzkonten, die nachverfolgt werden können, kontrollieren dem Medienunternehmen Bloomberg zufolge 95 Prozent des digitalen Vermögenswertes. »Wale« werden diese Großinvestor*innen genannt. Und wenn sich einer von ihnen regt, wie Tesla zum Beispiel, kann er die anderen oder Schwärme kleiner Fische, sprich Kleinanleger*innen, in Panik versetzen. Hinzukommt: Neben dem Handel mit der Währung selbst gibt es längst auch sogenannte abgeleitete Finanzprodukte (Derivate). Futures etwa, die auf die zukünftige Wertentwicklung des Bitcoins Wetten abschließen, werden an der Terminkontrakt-Börse CME gehandelt.
Das zeigt, dass der Bitcoin Teil des spekulativ aufgeblähten Finanzsektors des globalen Kapitalismus geworden ist. Und damit ist er vor allem eines: ein Spekulationsobjekt – für jene, die ohnehin schon viel Geld haben und auf der Suche nach neuen Verwertungsmöglichkeiten ihres Kapitals sind. Ein Aspekt, der in den meisten Analysen zum Thema kaum eine Rolle spielt. Als Spekulationsobjekt bietet sich der Bitcoin gut an, weil er eine sogenannte deflationäre Währung ist. Es ist festgelegt, dass es nicht mehr als 21 Millionen Bitcoins geben kann. Diese Knappheit lässt ihn stark im Wert steigen, wenn es eine entsprechende Nachfrage gibt. Die Furcht vor inflationären Währungen war denn auch ein zentrales Motiv bei der Entstehung des Bitcoins im Zuge der Finanzkrise von 2008. Die Unterstützer*innen befürchteten durch die expansive Geldpolitik eine Inflation des Dollars oder des Euros.
Warum aber gehen mächtige Staaten wie China oder die USA jetzt gegen das Schürfen von und den Handel mit Bitcoins vor? Sie wollen sich salopp gesagt einen Konkurrenten vom Hals halten, der ihnen ihre Währungsmonopole und darüber ihren geldpolitischen Einfluss streitig macht. Denn zurzeit planen viele Notenbanken selbst die Einführung eines digitalen Zentralbankgeldes. In diesem Kontext ist auch der heftige Widerstand gegen die geplante Facebook-Währung Libra zu sehen. Das inzwischen umgetaufte und verschobene Projekt hat inzwischen einen anderen Charakter bekommen. Es ordnet sich wohl einem künftigen digitalen Zentralbankgeld unter.
Und El Salvador? Es ist die Ausnahme von der Regel. Das Land hat seit zwei Jahrzehnten keine eigene Währung, sondern bezahlt in US-Dollar. Mit der Adelung des Bitcoins als Zahlungsmittel will es sich unabhängig vom Einfluss der US-Notenbank machen. Im Gesetzestext heißt es: »Für das Wirtschaftswachstum der Nation sei es nötig, die Zirkulation einer digitalen Währung zuzulassen, deren Wert allein von marktwirtschaftlichen Kriterien abhängt.« Wenn da mal nicht der Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben wird.
aus: analyse & kritik 672, 15. Juni 2021