Was sind negative Kohlenstoffpreise?

Es klingt so einfach: »Die nationale CO2-Bepreisung ist ein wichtiges Instrument, um die deutschen Klimaschutzziele zu erreichen und soll sicherstellen, dass die vorgegebenen Emissionsbudgets eingehalten werden.« So steht es auf der Seite der Bundesregierung, die über die Erhöhung des CO2-Preises für Benzin, Heizöl und Gas auf 45 Euro pro Tonne zu Beginn dieses Jahres informiert.

Der Gedanke dahinter: Wenn fossile Brennstoffe wie Benzin, Heizöl und Gas teurer werden, investieren die Bürger*innen in klimaschonendere und langfristig günstigere Alternativen (z.B. Wärmepumpen) oder steigen auf den öffentlichen Nahverkehr um. Es scheint, als wolle man den vermeintlichen Homo oeconomicus auf diese Weise bei dem packen, was ihm am wichtigsten ist: dem Geldbeutel. Kollateralnutzen: Das Klima wird geschont. Soweit die Theorie. Die Praxis indes sieht viel komplizierter aus.

Denn es existieren da ja noch diverse umweltschädliche Subventionen. Ihre Höhe belief sich in Deutschland zuletzt auf 65 Milliarden Euro jährlich – eine Menge Geld, das dazu beiträgt, die Umwelt weiter zu zerstören. Es handelt sich um Subventionen, die die Bürger*innen dazu anhalten, Dieselautos zu fahren (Dieselprivileg), mit dem Auto zur Arbeit zu fahren (Pendlerpauschale), den Dienstwagen auch privat zu nutzen (Dienstwagenprivileg) oder für einen Wochenendtrip von München nach Hamburg zu fliegen (Kerosinsteuerbefreiung bei Inlandsflügen). Die Bürger*innen sollen also einerseits dazu gebracht werden, klimaschädliches Verhalten zu unterlassen, andererseits werden sie durch Subventionen im Verkehrsbereich genau dazu angehalten – und das teilweise schon seit Jahrzehnten. Patrick Plötz vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung in Karlsruhe brachte diese paradoxe Situation kürzlich auf den Punkt: »Aktuell treten wir beim Klimaschutz im Verkehr mit einem Fuß aufs Gas, mit dem anderen auf die Bremse.«

Aktuell treten wir beim Klimaschutz im Verkehr mit einem Fuß aufs Gas, mit dem anderen auf die Bremse.

Patrick Plötz, Fraunhofer-Institut

Plötz hat mit Kolleg*innen Ende April ein Papier veröffentlicht, das erstmals klimaschädliche Subventionen im Verkehrssektor in sogenannte implizite negative CO2-Preise umrechnet. Dadurch kann gezeigt werden, wie stark Bürger*innen durch Subventionen für den Ausstoß einer Tonne CO2 indirekt belohnt werden, statt Anreize zu haben, Emissionen zu senken.

Im Einzelnen haben die Forschenden berechnet, wie hoch die negativen CO2-Preise durch das Diesel-Steuerprivileg, die Pendlerpauschale, die Pauschalbesteuerung für privat genutzte Dienstwagen und die Energiesteuerbefreiung für Kerosin im inländischen Flugverkehr sind. Das Ergebnis: Diese klimaschädlichen Subventionen entsprechen CO2-Preisen zwischen -70 und -690 Euro pro Tonne CO2. Rechnet man das in Euro pro Liter Benzin um, so kommt man auf Benzinpreisvergünstigungen von 0,18 bis 1,70 Euro pro Liter. Oder anders formuliert: Benzin wird mit 18 Cent bis 1,70 Euro subventioniert. »Die impliziten negativen CO2-Preise der Subventionen«, fassen die Forschenden zusammen, »sind damit deutlich höher als der tatsächliche CO2-Preis im Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) von derzeit 45 €/tCO2 oder circa 0,11 € pro Liter Benzin.« Für Plötz und Kolleg*innen ist das ein Indiz dafür, wie stark das derzeitige Steuer- und Abgabensystem noch immer auf die Nutzung fossiler Energieträger ausgerichtet ist.

Interessant ist, dass die Wissenschaftler*innen auch die sozialen Auswirkungen dieser vier Subventionen untersucht haben. Und das Ergebnis ist wie bei der umweltpolitischen Bewertung schlecht. Denn Haushalte mit hohem Einkommen profitieren überproportional von den Subventionen.

Eine Schlussfolgerung aus diesen Ergebnissen liegt auf der Hand: den Fuß von der Bremse nehmen, d.h. umweltschädliche Subventionen im Verkehrssektor abschaffen. Und genau das bringen auch die Autor*innen des Papiers ins Spiel. Sie sehen in einer Reform des Steuerprivilegs für Diesel kurzfristig das größte CO2-Minderungspotenzial. Und zugegeben: Diese Forderungen folgen einer inneren Logik. Was die wahren Kosten verzerrt, sollte abgeschafft werden, damit die Preissignale die richtigen ökologischen Botschaften aussenden. Allerdings ist zu bedenken, dass man sich damit in der Falle einer öko-liberalen Umweltpolitik verfängt, die eben auf Preise und Märkte setzt. Ökologisch viel wirksamer wäre es natürlich, ordnungspolitische Maßnahmen zu ergreifen – zum Beispiel ein Tempolimit einzuführen oder den individuellen Autoverkehr einzuschränken und dafür massiv in den öffentlichen Nahverkehr zu investieren.

aus: analyse & kritik 704, 21. Mai 2024

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