Das nennt man wohl eine volle Breitseite. Die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lassenden Warnungen des Sachverständigenrats vor Mindestlohn, Mietpreisbremse und Rentenerhöhungen an CDU und SPD legen nur einen Schluss nahe: Hier sehen Wirtschaftswissenschaftler das neoliberale Abendland angesichts möglicher leichter sozialpolitischer Korrekturen bedroht. Jene Ökonomen also, die sich noch vor wenigen Jahren bis auf die Knochen blamiert hatten, weil eine Wirtschaftskrise in ihren mathematischen Modellen per se gar nicht vorkommt.
Schon der Titel ihres neuen Jahresgutachtens »Gegen eine rückwärtsgewandte Wirtschaftspolitik« ist eine Anmaßung. Rückwärtsgewandt für wen? Zugegeben: für die Unternehmen, die aufgrund eines Mindestlohns weniger Gewinne einfahren werden. Aber nicht für jenes knappe Viertel aller Beschäftigten, die im Niedriglohnsektor arbeiten – und ebenso wenig für die rund 1,3 Millionen »Aufstocker«, die von ihrem Lohn nicht leben können. Im Kern laufen die wirtschaftspolitischen Ratschläge der »Weisen« also auf das hinaus, was aktuell massiv kritisiert wird: dass die Bundesrepublik mit Lohndumping auf Kosten der europäischen Nachbarn ihre Exportüberschüsse in die Höhe treibt. Dieses Modell indes – die Ausweitung von Armut und Wettbewerb – fördert die Bundesrepublik in den europäischen Krisenländern.
(aus: neues deutschland, 14.11.2013)