Über das neu Kulturgutschutzgesetz
Sie sparten nicht mit scharfen Worten: Von »kalter Enteignung«, »einer Guillotine des deutschen Kunsthandels« war vonseiten der Kunsthändler, Galeristen und Sammler die Rede, als Mitte Juli ein unautorisierter erster Entwurf zur Novellierung des seit 1955 geltenden Kulturgutschutzgesetzes bekannt wurde.
Der Künstler Georg Baselitz ließ seine Bilder aus Museen abhängen, andere erwogen dies. Der Kulturstandort Deutschland sei gefährdet, warnte der Galeristenverband. Der Anlass? Kulturstaatsministerin Monika Grütters vermeintlicher Plan, für den Verkauf von deutschem Kulturgut strengere Regeln einzuführen. So sollte jedes Werk, das über 150 000 Euro wert und älter als 50 Jahre sei, nicht ohne Weiteres ins Ausland verschafft werden. So die Mitte Juli immer wieder zitierten Kriterien aus der Vorfassung.
Nun hat am Dienstag Grütters den ersten autorisierten Referentenentwurf offiziell veröffentlicht. Demnach müsste im Falle von Gemälden, die älter als 70 Jahre seien oder einen Wert von mehr als 300 000 Euro haben, eine Ausfuhrgenehmigung erteilt werden. Ein ähnliches Verfahren gebe es bereits für Gemälde, die ins außereuropäische Ausland ausgeführt werden sollen. In diesem Fall gelte allerdings ein Alter von mehr als 50 Jahren sowie ein Wert von mehr als 150 000 Euro. Was nach einem Einknicken aussieht, ist es jedoch nicht wirklich. Von ähnlichen Kriterien war auch schon im inoffiziellen Entwurf im Juli die Rede.
Für den Vorsitzenden der Aktionsgemeinschaft Privates Denkmaleigentum, Michael Prinz zu Salm-Salm, kommt allerdings auch der jüngste Plan noch einem massiven Einschnitt ins Privateigentum gleich. Demzufolge müsste im europäischen Ausland das Privateigentum an Kunst längst abgeschafft sein. Denn die dortigen Regeln sind in der Regel deutlich schärfer als in Deutschland, insbesondere in Italien. Dort steht fast jedes Kunstwerk unter Schutz, wenn auch in unterschiedlichen Abstufungen. Frankreich verschärfte die Regelung 2008 – ohne Diskussionen. In die Kategorie der Kulturgüter fallen seitdem zum Beispiel Kunstwerke über 50 Jahre, darunter Gemälde mit einem Schätzwert von über 150 000 Euro.
Der internationale Kunsthandel ist seit geraumer Zeit überhitzt. 2014 gab es einen Rekordumsatz von 50 Milliarden Euro. Superreiche nutzen Kunst als Anlagemöglichkeit, wie sie auch in Weizen, Gold oder Aktien investieren. Insofern ist Grütters Regulierungsversuch im Grunde zu begrüßen. Sie unterstrich ihr Anliegen kürzlich mit der Mahnung, dass es den Beteiligten mehr um den kulturellen Wert und weniger um den Marktwert gehen solle. Allerdings ist fraglich, ob ihr Weg der Ausweitung der Liste der national wertvollen Kulturgütern der richtige ist. Das hat ein nationalistisches Geschmäckle. Wann kommt einem Kunstwerk nationale Bedeutung zu? Im Übrigen ist zu erwarten, dass der Entwurf im weiteren Gesetzgebungsverfahren noch die ein oder andere Änderung erfahren wird.
aus: neues Deutschland, 19.09.2015