Tom Slee: Deins ist Meins. Die unbequemen Wahrheiten der Sharing Economy. Verlag Antje Kunstmann, 270 S., geb., 22,95 €.
Die Fähigkeit des Kapitalismus, sich zu wandeln, anzupassen, Kritik zu integrieren und aus guten Ideen immer wieder neue blendend laufende Geschäftsmodelle zu machen, ist – neutral gesehen – bewundernswert. Die Produktionsweise wandelt sich beständig – und bleibt doch immer dieselbe. Eines der jüngsten Beispiele ist die Sharing Economy. Die gute Idee: Konsumenten ist der Besitz eines Autos oder einer Bohrmaschine gleichgültig geworden. Sie wollen die Gegenstände nutzen, wenn sie ein neues Regal von Ikea holen und es an der Wand befestigen. Vorteil: Der Ressourcenverbrauch ist niedriger und Menschen kommen sich über das Teilen näher, Gemeinschaft wird gestiftet. Letzteres betrifft vor allem Internet-Portale wie Couchsurfing oder Airbnb. Auf diesen kann man seine Wohnung mit anderen Menschen teilen, die gerade auf Urlaub in der Stadt sind.
Doch über die Nachteile der Sharing Economy wird längst in den Medien berichtet. Der Taxidienstleister Uber steht mit seiner Deregulierung des herkömmlichen Taxigewerbes im Zentrum der Kritik. Aber auch Airbnb zieht den Unmut auf sich, weil über ihn professionell Ferienwohnungen vermietet werden. Der finanzielle Anreiz ist so hoch, dass in Städten wie Berlin immer mehr Wohnungen umgewandelt werden.
Der in Kanada lebende Brite Tom Slee hat nun eines der ersten kritischen Bücher über die Sharing Economy vorgelegt. Seine Hauptkritik kann man so zusammenfassen: Wenn Risikokapital in die Sharing-Projekte strömt, ist das schöne Versprechen, zukünftig Eigentum und Dienstleistungen unter Gleichen zu teilen und tauschen, schnell gebrochen. Das Sharing entpuppt sich mit den »Dollarschocks« als eine Bewegung der Deregulierung und der Ausweitung des Marktprinzips auf weitere Lebensbereiche. »Die Sharing Economy hat sich«, so fasst Slee zusammen, »rasch in eine kommunitaristische Fassade für eine marktliberale Bewegung verwandelt, die einer antidemokratischen Agenda der Deregulierung anhängt.«
Er zeigt diese Entwicklung anhand der besagten Portale und weiterer wie zum Beispiel Task-rabbit im Detail nach. Für Airbnb hat er eigens eine Software geschrieben, die die Angebote auf dem Portal analysiert. Das Ergebnis: »Ein erheblicher Teil des Geschäfts von Airbnb ist professionalisiert – entweder Inserate von Wohnungen, die jemand nur besitzt, um sie zu vermieten, oder Gastgeber, die mehrere Wohnungen besitzen – und konzentriert sich auf die bei Touristen besonders beliebten Teile der Stadt.« Eklatant der Widerspruch zur Selbstdarstellung: »Unsere Community besteht aus leidenschaftlichen Nutzern, die darauf brennen, die Welt durch das Teilen von Raum zu bereichern.«
Hinter dieser schönen Fassade steckt, das zeigt Slee anschaulich und überzeugend, eine noch härtere Form des Kapitalismus – mit neuen Tagelöhnern und schlecht bezahlten Gelegenheitsjobs. Innerhalb weniger Jahre sei durch das Eindringen des die Gemeinschaft entfremdenden Kapitals aus dem »meins ist deins« ein »deins ist meins« geworden.
aus: neues deutschland, 29.03.2016