Von wem stammt folgende Aussage? „Wir haben es vergeigt, einschließlich ich, als ich noch Präsident war. Wir haben zugelassen, dass wir Nahrung wie Farbfernseher behandelt haben und nicht als ein lebenswichtiges Gut für die Armen dieser Welt.“
Nun? Es war Bill Clinton. Im Weiteren gab er in seiner bemerkenswerten Stellungnahme die Schuld für die Zunahme des weltweiten Hungerelends nicht einzelnen Regierungen oder Staaten, sondern im Allgemeinen der langfristigen globalen Politik des Westens. Sprich der auf Weltmarktintegration zielenden Politik der USA, der EU sowie der von ihnen dominierten Institutionen IWF, Weltbank und WTO. Diese zwangen die Länder des Globalen Südens, ihre Landwirtschaft zugunsten der Exportsteigerung umzustellen. Mit der Konsequenz, dass für deren eigenen Bevölkerungen nicht ausreichend Nahrungsmittel zur Verfügung standen und stehen.
Und vom wem stammt dieses Zitat? „Wir müssen dem internationalen Handel die Grundlage des reinen Profitdenkens entziehen … Es ist notwendig, den Egoismus zu bekämpfen, der es ermöglicht hat, dass Spekulantentum sogar auf dem Getreidemarkt herrscht und Nahrungsmittel auf eine Ebene mit anderen Waren stellt“? Von Attac? La via Campesina oder der brasilianische Landlosenbewegung MST? Nein, es war das Oberhaupt der katholischen Kirche anlässlich des UN-Welternährungsgipfels in Rom, an dem Vertreter von 60 Staaten von Montag bis Mittwoch dieser Woche tagten. Papst Benedikt forderte darüber hinaus die Industriestaaten auf, ihre Agrarsubventionen abzubauen, da diese sich zulasten der Entwicklungsländer auswirkten.
Wenn ein ehemaliger US-Präsident und ein amtierender Papst mit recht deutlichen Worten auf die beschämende Tatsache aufmerksam machen, dass der Anstieg der an Hunger leidenden Menschen auf über eine Milliarde nicht an der zu geringen Menge an Nahrungsmitteln liegt, sondern an einer konkreten Form von Politik, ist dies allemal erwähnenswert. Um so bemerkenswerter ist vor diesem Hintergrund das Resultat des Gipfels von Rom. Es gibt nämlich keins: Der auf drei Tage terminierte Hungergipfel gab schon am ersten Tag das Ergebnis in Form einer unverbindlichen Absichtserklärung bekannt.
Viele führende Industriestaaten sparten sich gleich die Anreise – nach dem Motto: Es verrecken ja nur ein paar arme Neger in Afrika, unsere Wirtschaft und insbesondere unsere Banken sind uns wichtiger. Diese Schlussfolgerung legen auch diese Zahlen nahe: Rund eine Billion US-Dollar wurde in die internationalen Hilfspakete für die Wirtschaft gepumpt, mit einem Prozent davon wäre zumindest die Arbeit des Welternährungsprogramms, so die Direktorin desselben, Josette Sheeran, gesichert. An Tag zwei und drei wurde in Rom noch viel geredet – und damit war das Thema durch.
Es zeigte sich also wieder einmal: Die Umsetzung von richtigen Erkenntnissen und Konzepten – also von einer landwirtschaftlichen Produktion, die den Prinzipien von Ernährungssouveränität und ökologischer Nachhaltigkeit dient – steht den (Profit)Interessen der multinationalen Agrobusinesskonzerne und ihrer Vertreter, in Rom denen der kleinbäuerlichen Bewegungen um ein Vielfaches überlegen, entgegen.
Gleichwohl sind diese richtigen Erkenntnisse und Zielvorstellungen zumindest in manchen internationalen Organisationen bekannt. Bestes Beispiel ist der so genannte Weltagrarbericht, der von UNESCO und Weltbank in Auftrag gegeben und letztes Jahr veröffentlicht wurde. Als ein zentrales Ergebnis heben die über 400 beteiligten Wissenschaftler hervor: Eine die steigende Weltbevölkerung ernährende Landwirtschaft bedarf eines radikalen Paradigmenwechsels. Nicht die Produktivitätssteigerung um jeden Preis (massiver Einsatz von Düngemittel, Gentechnik, Großflächenbewirtschaftung etc.), sondern die Verfügbarmachung von Nahrung vor Ort durch eine kleinbäuerliche nachhaltige Bewirtschaftung müsse zukünftige Leitlinie sein. Kurz gefasst: Weg von der Agrarindustrie, hin zu kleinbäuerlichen Strukturen.
Hier hören wir den Einwand von Vertretern des Agrobusiness (aber auch eines Teils der Linken): Das könne den Output an Weizen, Reis und Soja doch nicht wesentlich erhöhen (bzw.: Subsistenzwirtschaft ist doch hinterwäldlerisch). Ihnen sei zur Lektüre die 2007 erschienene Studie „Organic agriculture and the global food supply“ von Catherine Badgley u.a. empfohlen (vgl. auch Peter Clausing, Reale Alternativen, in: junge Welt, 18.11.2009; Gerhard Klas, Genug für alle. Globale Landwirtschaft und neue Bauernbewegung, in: lunapark21, Heft 7). Diese belegt, dass es mit dem derzeitigen Ertragspotenzial des Biolandbaus möglich wäre, die momentane Weltbevölkerung zu ernähren. Mehr noch: Bei einer Umstellung auf ökologischen Anbau würden zwar in den Industriestaaten vorübergehend nur noch 92% des Ertrages erzielt, in den Ländern der so genannten Dritten Welt sei allerdings eine Ertragssteigerung von bis zu 174% im Vergleich zu konventionellen Anbaumethoden möglich.
Rom wird, das gibt selbst der als industrienah geltende Präsident der veranstaltenden FAO, Jacques Diouf, zu, als weiterer ergebnisloser Gipfel – jenseits der unverbindlichen Bekundung, den Hunger beenden zu wollen – in die Geschichte eingehen.
Das gleiche wird sich, so wie es derzeit aussieht, in wenigen Wochen wiederholen. Diesmal in Kopenhagen mit einem weiteren keinerlei Handlungsaufschub duldenden Thema: dem Klimawandel. Einen feinen Unterschied gibt es jedoch: Das Diskutieren wird sich auf ganze elf Tage erstrecken.
(aus: www.sozialismus.de)