Sie reden viel über magische Maschinen, die nicht existieren«, sagte Greta Thunberg 2018. Sie meinte damit technische Anlagen, die CO2 aus der Luft filtern oder bei der Entstehung einfangen und im Boden speichern sollen. Die Fachbegriffe lauten Direct air Capture und CO2-Abscheidung und -Speicherung (eng.: Carbon Dioxide Capture and Storage, CCS).
Schon seit längerem geht auch der Weltklimarat davon aus, dass das 1,5-Grad-Ziel nicht mehr ohne negative Emissionen zu erreichen ist, d.h.: Neben der Vermeidung von Treibhausgasemissionen muss CO2 der Atmosphäre wieder entzogen werden. Dies kann durch natürliche Senken wie Moore oder Wälder (die es zu schützen oder aufzuforsten bzw. wieder zu vernässen gilt) oder durch Techniken wie die eingangs genannten geschehen.
Mehr als vier Jahre ist es her, dass die 16-jährige Thunberg CCS kritisierte. Den Satz hätte damals wohl auch Robert Habeck unterschrieben, der gerade als Umweltminister von Schleswig-Holstein zurückgetreten war, um den Parteivorsitz der Grünen zu übernehmen. Hatte er doch Anfang der 2010er Jahre die Proteste gegen die CO2-Speicherung in Deutschland mit unterstützt. Jetzt ist Habeck Bundeswirtschaftsminister und zeigt sich auf Reisen nach Norwegen offen für CCS. Das Land gilt als Vorreiter auf diesem Gebiet, obwohl es auch dort viele Beispiele des Scheiterns gibt. Doch damit nicht genug: Die Bundesregierung will in diesem Jahr eine neue sogenannte Carbon-Management-Strategie vorlegen, Habeck denkt über eine Überarbeitung der Gesetze zur CO2-Speicherung und zum Export nach. Beides ist derzeit hierzulande bis dato nicht möglich. Und die EU plant ein neues Gesetz, mit dem die CO2-Filterung aus der Luft ermöglicht werden soll.
Aber können CCS und DAC dem Klima in relevantem Umfang helfen? Die Antwort lautet nein. Die Technologien haben bisher nicht bewiesen, dass sie in großem Maßstab realisierbar sind und in nennenswertem Umfang Kohlenstoff aus der Luft filtern können. Der im Dezember veröffentlichte Evaluierungsbericht der Bundesregierung zum Kohlendioxid-Speicherungsgesetz fasst den Stand der Forschung unter Berufung auf eine Studie des Institute für Energy Economics and Financial Analysis zusammen: »Von 13 untersuchten Projekten wären zehn deutlich hinter ihren Erwartungen zurückgeblieben. 90 Prozent der CCS-Projekte an Kraftwerken seit 2000 seien bereits bei der Implementierung fehlgeschlagen oder wurden frühzeitig beendet.« Und: Rund 70 Prozent der CCS-Projekte würden für die sogenannte tertiäre Ölförderung eingesetzt und dienten dazu, mehr Öl und Gas zu fördern.
Ein Blick auf die Zahlen unterstreicht dieses vernichtende Urteil (was die Bundesregierung nicht davon abhalten dürfte, auf die Technik zu setzen). Derzeit werden weltweit fast 40 Gigatonnen CO2 ausgestoßen. Die global größte Abscheidungsanlage in Island filtert jährlich ganze 4.000 Tonnen CO2 aus der Luft. Insgesamt werden nach Angaben des privaten Global CCS Instituts zurzeit in 30 kommerziellen CCS-Projekten jährlich etwas mehr als 40 Millionen Tonnen CO2 abgeschieden. 40 Millionen Tonnen klingt viel, aber eine Gigatonne entspricht einer Menge von 1.000 Millionen Tonnen. Ein Tropfen auf den heißen Stein, mehr nicht.
Und von den Kosten und dem Energieaufwand für diese Abscheiderate ist noch gar nicht die Rede. Die sind nämlich verdammt hoch, schätzungsweise 100 Euro pro Tonne. Dieses Geld – CCS wird trotz des Scheiterns vieler Projekte auch mit öffentlichen Mitteln gefördert – wäre in Investitionen in erneuerbare Energien und in einen ökologisch-sozialen Umbau der Wirtschaft natürlich weitaus besser angelegt. Hinzu kommt das Risiko, dass das CO2 nicht dauerhaft in Gesteinsschichten verpresst werden kann und es zu Leckagen kommen kann.
Doch das Hauptargument gegen CCS lautet: Die Technologie kommt viel zu spät, denn in den nächsten knapp zehn Jahren müssen die Emissionen drastisch sinken, damit die irreversiblen Kipppunkte des Klimas nicht erreicht werden. Warum wird dennoch so viel Hoffnung in die Abscheidung gesetzt? Die Hoffnung auf die eine Zaubermaschine, die das Klima schont und die industriekapitalistische Produktions- und Lebensweise nicht infrage stellt, stirbt offensichtlich zuletzt. So dienen die Techniken zur Kohlenstoffentnahme als Ausflucht, um das zu vermeiden, was notwendig wäre: den Ressourcenverbrauch schleunigst zu vermindern, Öl und Gas im Boden zu belassen – und damit Emissionen zu vermeiden.
aus: analyse & kritik 690, 21. Februar 2023