Immer wieder bezeichnet Greta Thunberg die gegenwärtige Klimapolitik als Geschwätz. Warum die schwedische Aktivistin das tut, zeigt nun eindrucksvoll das von ihr herausgegebene «Klimabuch», das mit Beiträgen von meist vier bis fünf Seiten Handbuchcharakter hat. Dabei wird die Klimakrise nicht isoliert betrachtet, sondern als Ausdruck einer umfassenderen Nachhaltigkeitskrise. Als deren Ursache macht Thunberg die von Europa ausgehende koloniale Eroberung, Ausbeutung und Ressourcenplünderung aus. Dutzende von Wissenschaftler:innen und Expert:innen, darunter auch Prominente wie Naomi Klein, Nicholas Stern oder Thomas Piketty, haben Beiträge für das Buch verfasst.
Zunächst wird Grundlegendes über die Funktionsweise des Klimas und die Auswirkungen der Klimakrise auf den Planeten dargelegt. In weiteren Kapiteln geht es um die Folgen für die Menschen. Am spannendsten sind die Abschnitte zur Kritik an der vorherrschenden Klimapolitik, zu den notwendigen Massnahmen sowie die Texte von Thunberg selbst. Sie bieten auch für schon länger am Thema Interessierte Überraschendes: zum Beispiel, dass global längst nicht alle Emissionen in die nationalen Statistiken einbezogen werden. Ein erheblicher Anteil wird in den Schlupflöchern internationaler Klimabilanzregelwerke versteckt oder rechnerisch ins Ausland verlagert, wie eine umfangreiche Recherche der «Washington Post» belegt. Thunberg fragt deshalb: Von welcher Klimakrise sprechen denn Politiker:innen überhaupt? Von jener, die alle Emissionen einbezieht? Oder von derjenigen, die nur einen Teil davon enthält? Die «Greenwashing-Maschinerie» läuft wie geschmiert, während die Emissionen Jahr für Jahr steigen.
Was tun? Für Thunberg ist klar, dass individuelles Handeln allein keine Option ist. Notwendig sei ein grundlegender Systemwechsel, um den Ressourcenverbrauch zu senken. Dazu gilt es auch, über neue «Klimaschutzlügen» wie CO₂-Kompensationen, negative Emissionen oder das Ziel von «netto null» aufzuklären.
aus: woz Nr. 1, 5. Januar 2023