Mit Schlagzeilen lässt sich prima Stimmung machen. Jüngstes Beispiel: Die Titel von Agenturen und Medien zum am Mittwoch veröffentlichten Migrationsreport der Bundesregierung. Während die meisten Organe Überschriften wie »Zuwanderung auf höchstem Stand seit 1995« wählten, titelte das »Handelsblatt«: »Deutschland hat im europäischen Vergleich wenig Zuwanderer«. Beide Aspekte sind sachlich richtig – und doch problematisch.
Ersterer, weil bewusst oder unbewusst in das Horn der rechtspopulistischen »Armutszuwanderungs«-Kampagne der CSU gestoßen wird. Letzterer, weil Maßstab der Wirtschaftsvertreter das ökonomische Nützlichkeitskriterium ist. Damit werden Zuwanderer eingeteilt in jene, die dem Standort Deutschland nützen und jene, die ihm schaden. Aus dem Blick geraten dabei die Ursachen der Migrationsbewegungen. Zwei Drittel der knapp über eine Million Zuwanderer im Jahr 2012 kamen aus EU-Staaten. Eine verstärkte Zuwanderung erfolgte aus Spanien, Griechenland, Italien und Portugal, wie eine Kleine Anfrage im Bundestag ergab. Also aus Ländern, die unter der von Deutschland aufgeherrschten Austeritätspolitik zu leiden haben. Insofern wären die Zuwanderer angemessen als Leidtragende globaler politischer und wirtschaftlicher Umstände zu sehen, für die die Bundesrepublik Verantwortung trägt.
(aus: neues deutschland, 16.1.2014)