Seit Jahren erschreckt Professor Friedrich Schneider aus Linz die deutsche mediale Öffentlichkeit mit horrenden Zahlen über das Ausmaß der Schattenökonomie. Diese nimmt das dankend auf. So auch am Dienstag in zahlreichen Agentur- und Medienberichten. Grund: Die Studie von Schneider liefert neue Munition gegen die Pläne der Großen Koalition, den Mindestlohn tatsächlich flächendeckend einzuführen. Angeblich würde dieser zu einer Abwanderung in die Schattenökonomie führen.
Dabei ist Schneiders Methodik höchst umstritten. Andere Studien schätzen das Ausmaß der nicht regulierten Beschäftigung weitaus geringer ein. Die Zahlen über die hohe Verbreitung von Schwarzarbeit werden somit genutzt, um im Sinne der Neoliberalen Stimmung gegen Steuern und Abgaben zu machen – oder gegen die Einführung einer Lohnuntergrenze.
Einen besonderen Dreh erhalten die Zahlen im Zuge der entflammten Debatte über Steuersünder. Die tägliche Schwarzarbeit, so das Argument, werde zu wenig berücksichtigt. Steuersünder seien wir doch fast alle. Einerseits ist das richtig und gut so. Denn die Abschaffung der Schattenökonomie würde der Utopie der Marktradikalen entsprechen. Andererseits verschwimmen so die unterschiedlichen Klassenlage einer Alice Schwarzer und jener Millionen, die Hausarbeit oder Freundschaftsdienste leisten.
(aus: neues deutschland, 5.2.2014)