Bayer will den Agrarkonzern Monsanto übernehmen. Das Ziel: die Ausweitung der industrialisierten Landwirtschaft. Doch nur kleinbäuerliche Strukturen können die Ernährung der wachsenden Menschheit garantieren.
Schätzungen besagen, dass 2050 mehr als neun Milliarden Menschen auf der Erde leben werden. Gegenwärtig sind es nicht ganz sieben. Drei Milliarden EsserInnen mehr – wie sollen die ernährt werden? Zumal die Zahl der Hungernden derzeit bereits bei rund 800 Millionen liegt. Der Chemiegigant Bayer aus Leverkusen hat seine Antwort mit dem Übernahme-Angebot an den umstrittenen US-Konzern Monsanto gegeben: mit industrialisierter Landwirtschaft, Effizienz, chemischer Düngung und Gentechnik. Und zwar nicht nur in den entwickelten Staaten des Globalen Nordens, sondern auch in denen des Südens.
In Teilen Afrikas, in Argentinien und Brasilien ist es bereits so weit. Mit großem Kapitaleinsatz aus Europa, den USA und China werden Flächen aufgekauft, gerodet und in riesige Monokulturflächen umgewandelt. Von diesem ökologisch verheerenden »kontrollierten Raubbau« (Kathrin Hartmann) profitieren die Agro-Konzerne und die KonsumentInnen in den kapitalistisch fortgeschrittenen Ländern. Indes: Nach wie vor stammen 70 Prozent der weltweiten Ernte nicht aus der grünen Palmöl-Hölle auf Borneo, nicht von den Soja-Plantagen Südamerikas und nicht aus dem Mittleren Westen der USA, sondern sie werden von – mehrheitlich weiblichen – Kleinbauern und Kleinbäuerinnen eingebracht.
Wer kann die Welternährung sichern?
Können die Kleinbäuerinnen und -bauern auch in Zukunft ihre zentrale Stellung in der Nahrungsmittelproduktion behaupten? Oder ist nur die industrialisierte Landwirtschaft in der Lage, den Bedarf an Kalorien von neun Milliarden Menschen zu produzieren? Zweifel an letzterem hat selbst die politisch angepasste Welternährungsbehörde FAO. Ihre ExpertInnen sind der Ansicht, dass am ehesten eine Mischung aus kleinbäuerlicher und industrialisierter Landwirtschaft die Herausforderungen wird meistern können. »Eine rein biologische Weltlandwirtschaft propagieren sie zwar nicht. Doch dem Erhalt und der Förderung kleinbäuerlicher Strukturen, regionaler Ernährungskreisläufe und traditioneller Pflanzenvielfalt schreiben sie eine Schlüsselrolle für die künftige Welternährung zu«, fasst die FAZ zusammen. FAO-Direktor José Graziano da Silva sagte, dass die Entwicklung nach der sogenannten grünen Revolution der 1960er Jahre, die durch hohen Technik- und Chemieeinsatz geprägt war, wieder in Richtung Regionalität und Ökologie gehe.
Der Weltagrarbericht von 2008, dessen Schlussfolgerungen immerhin von 60 Regierungen unterschrieben wurden, ist da noch deutlicher. Eine radikale, nachhaltige und ökologische Reform der Landwirtschaft wäre in der Lage, Ertragssteigerungen zu erzielen, die für die Versorgung der prognostizierten neun Milliarde Menschen im Jahr 2050 allemal ausreichend wären. Dafür ist allerdings nicht mehr und nicht weniger als die Abkehr vom industriellen Agrobusiness notwendig. An diesem Bericht waren über 400 WissenschaftlerInnen im Auftrag von Weltbank und den Vereinten Nationen beteiligt. Auch der Konzern Monsanto arbeitete zunächst mit, stellte diese Tätigkeit jedoch später ein.
Industrielle Landwirtschaft in der Sackgasse
Im Übrigen hat sich die industrielle Landwirtschaft bereits heute in eine Sackgasse manövriert – sozial wie ökologisch. Mit dem massiven Dünger- und Pestizideinsatz, dem gigantischen Wasser- und Energieverbrauch kann die Produktivität nur für kurze Zeit erhöht werden. Irgendwann nehmen Bodenfruchtbarkeit und Biodiversität ab, die Bodenerosion setzt ein, und das Grundwasser wird verschmutzt. Studien zeigen überdies, dass die Energiebilanz der konventionellen Landwirtschaft insgesamt gesehen negativ ist. »Die Landwirtschaft ist von der Energielieferantin zur Energiekonsumentin geworden: Um eine Kalorie Nahrungsenergie herzustellen, wird heute im Schnitt mehr als eine Kalorie fossiler Energie aufgewandt«, schreibt der Schweizer Wissenschaftsjournalist Marcel Hänggi in seinem Buch »Ausgepowert. Das Ende des Ölzeitalters als Chance«.
Und noch ein weiterer Gesichtspunkt ist zu berücksichtigen: Die Ausweitung der industriellen Landwirtschaft von Bayer und Monsanto zerstört kleinbäuerliche Strukturen im Süden. Die überflüssige Bevölkerung wandert in die Städte ab – oder versucht, über das Mittelmeer nach Europa zu gelangen. Fluchtursachenbekämpfung, die die Bundesregierung immer wieder fordert, wird zum Lippenbekenntnis, wenn der deutsche Konzern Bayer sich im globalen kapitalistischen Wettbewerb mit der Übernahme von Monsanto behaupten möchte.
Bayers Rechnung könnte sich ohnehin als Fehlkalkualation erweisen. Denn sie setzt voraus, dass die zusätzlichen Menschen auf der Erde sich die industriell gefertigten Lebensmittel auch leisten können. Doch schon heute ist der Hunger keine Frage des Angebots – Lebensmittel gibt es genug – , sondern ein Verteilungsproblem.
aus: Oxiblog.de, 27.05.2016