Zu wenig und zu spät

Warum schon die Zielsetzung des Konjunkturpakets verkehrt ist

Der nüchterne Hanseat Olaf Scholz (SPD) griff bei der Vorstellung der Eckpunkte des Konjunkturpakets zur rhetorischen Bazooka. »Wir wollen mit Wumms aus der Krise kommen«, sagte er. Und in der Tat überraschte manches, was der Koalitionsausschuss Anfang Juni der Öffentlichkeit präsentierte. Die vom bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) geforderte Grenze von 100 Milliarden Euro wurde mit 130 Milliarden locker gerissen, es gibt keine Autokaufprämie für Dreckschleudern und für ein halbes Jahr soll die Mehrwertsteuer gesenkt werden. Weiterlesen

EZB-Urteil: Lob von rechts

Stand Ende März liefen 76 EU-Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland. Bald könnte ein weiteres hinzukommen. Derzeit nämlich prüft die EU-Kommission, ob sie gegen die Bundesrepublik vorgeht, weil das Bundesverfassungsgericht am 5. Mai mit markigen Worten dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Gefolgschaft verweigert hat. Gegenstand des Streits: das Anleihekaufprogramm der Europäischen Zentralbank (EZB) von 2015. Der EuGH hatte dieses gebilligt. Das werteten die Karlsruher Richter als »schlechterdings nicht mehr nachvollziehbar« und »willkürlich«, weil die Verhältnismäßigkeit und die wirtschaftlichen und sozialen Folgen für die EU-Bürger*innen ausgeklammert worden seien. Weiterlesen

Wie kommt es zu negativen Ölpreisen?

In der Nacht vom 20. auf den 21. April passierte Ungewöhnliches: Erstmals in der Geschichte des Kapitalismus wurde eine der wichtigen Rohölsorten, das US-Öl WTI (West Texas Intermediate), zu Minuspreisen gehandelt. Das heißt, Käufer wurden für den Erwerb mit phasenweise bis zu 40 US-Dollar pro Fass belohnt! Nach negativen Zinsen, Anleihen und Strompreisen an der Börse gibt es nun auch noch das: negative Ölpreise.

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Wenn ein Virus die Wirtschaft infiziert

Die Corona-Pandemie legt die Sollbruchstellen des neoliberalen Kapitalismus offen – erste Tendenzen der Reparaturmaßnahmen zeichnen sich ab

Die Welt hat sich in den vergangenen drei Monaten dramatisch verändert«, so zitieren Medien kurz nach Ostern den Internationalen Währungsfonds (IWF). Es ist nur eine von vielen Aussagen, die verdeutlichen sollen, dass die wirtschaftliche Krise infolge der Corona-Pandemie anders ist als alle anderen zuvor. IWF und Weltbank rechnen mit einer globalen Rezession. Wie tief diese sein wird, bleibt trotz zahlreicher Prognosen ein Stochern im Nebel. Wir wollen trotzdem einen Blick in die Zukunft wagen. Weiterlesen

Wenn Finanzanleger Tote zählen

Mithilfe von Anleihen sollen in armen Ländern beim Ausbruch von Pandemien Menschenleben gerettet werden. Doch auch im Fall des Coronavirus dürften am Ende die Investoren die zynischen Wetten gewinnen.

Den ärmsten Staaten im Fall von Seuchen und Pandemien frühzeitig und umfassend helfen: So lautete das grosse Versprechen der Weltbank, als sie 2017 Pandemieanleihen auf den Weg brachte. Mit der globalen Verbreitung des Coronavirus sind diese Anlagevehikel in den Fokus einer breiteren Öffentlichkeit gerückt. Und damit auch die Frage: Halten die Wertpapiere tatsächlich, was sie versprechen? Weiterlesen

Was sind Pandemie-Anleihen?

Es klingt nach einer genialen Idee, fragt sich nur für wen. Als die Ebola-Epidemie mit über 11.000 Toten in mehreren afrikanischen Ländern 2016 für beendet erklärt wurde, kritisierte der damalige Weltbankpräsident Jim Yong Kim das »kollektive Versagen« der Weltgemeinschaft. Zu langsam und zu wenig sei an Hilfe geleistet worden. Um Abhilfe bei zukünftigen Pandemien zu schaffen, legte die Weltbank 2017 eine sogenannte Pandemic Emergency Financing Facility (PEF) auf, einen Soforthilfe-Fonds für Seuchenkrankheiten wie Ebola, das Lassafieber oder Coronaviren. Weiterlesen

Ohne grünes Mäntelchen

Siemens will weiter Geld mit dem Kohleabbau in Australien machen

Offenbar hat Joe Kaeser, Vorstandsvorsitzender von Siemens, wirklich gedacht, mit einem unmoralischen Angebot an Luisa Neubauer die Kritik am Geschäftsgebaren seines Konzerns zu entkräften. Doch das deutsche Gesicht von Fridays for Future lehnte es ab, einen führenden Posten bei Siemens Energy zu übernehmen. Das war Kaesers erste Fehleinschätzung. Weiterlesen

Schweigt von Flugscham und Veggieday!

Es mutet seltsam an: Die mediale Aufmerksamkeit für die Treibhausgasemissionen des Luftverkehrs steht im Gegensatz zu seinem prozentualen Anteil an den Gesamtemissionen. Beim Autoverkehr oder Fleischkonsum ist es ähnlich. Für den Löwenanteil der Emissionen ist vielmehr die Industrie verantwortlich, genau genommen die Energiewirtschaft, das fossile Kapital. Warum wird deren Anteil kaum thematisiert? Weiterlesen

Druck weicht nicht

Roboter verändern alles. Und selbstredend sind Jobs in Gefahr. Ein Sammelband untersucht den Mythos

Wuppertal, März 1978: Die IG Druck und Papier streikt. Ein Modellschreiner fragt einen Streikposten, was die Druckarbeiter gegen die Einführung neuer Technologien hätten. Die Antwort: „Stellen Sie sich vor, ein neues Werkstück wird gebraucht und die frechen rechnergesteuerten Systeme sind auch in Ihrem Bereich vorhanden. Sie nehmen dann nur noch das Holz, den Leim und die Zeichnung des Modellstücks, geben das in den Computer, das fertige Stück kommt heraus.“ Der Schreiner ist geschockt: „Um Gottes willen, so geht das doch nicht!“ – und spendet fünf Mark für die Streikkasse. Weiterlesen

Zeit für eine neue Kritik am Bruttoinlandsprodukt

Sind wir schon wieder in der Krise? Wer Mitte August die Tagesschau guckte, sah und hörte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD), wie dieser von Kurzarbeit und Weiterbildung sprach. Gerade die Kurzarbeit sollte gestärkt werden, um für die nächste Krise gewappnet zu sein. Man erinnere sich: Mit der Kurzarbeit, so eine gerne verbreitete Ansicht, gelang es Deutschland, den massiven Wirtschaftseinbruch infolge der Finanzkrise von 2008 abzufedern. Tatsächlich dürfte die rasch wieder steigende Nachfrage ein weitaus bedeutsamerer Faktor gewesen sein. Weiterlesen