Kann die Kernfusion das Klima retten?

Unter Physik-Studierenden erzählt man sich diesen Witz: Es dauert noch 50 Jahre bis zur Fusionskraft, aber diese Zahl ändert sich nie. Mitte Dezember ging eine Nachricht um die Welt, die diesen Witz scheinbar alt aussehen ließ: Forscher*innen der National Ignition Facility (NIF) in Kalifornien ist es erstmals gelungen, bei einem Kernfusionsexperiment mehr Energie zu gewinnen, als zu verbrauchen. Das wurde von Politiker*innen und Medien in aller Welt als Sensation gefeiert. US-Energieministerin Jennifer Granholm sprach von einer »der beeindruckendsten wissenschaftlichen Leistungen des 21. Jahrhunderts«. Hierzulande sprach Bildungs- und Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) von einem »historischen Tag für die Energieversorgung der Zukunft«. Und ihr Parteifreund Finanzminister Christian Lindner nutzte den Anlass, um mal wieder gegen die angebliche Verbotskultur in Deutschland zu Felde zu ziehen und die Freude am Erfinden hochzuhalten.

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Wer ist hier kriminell?

Empörung sollte der Untätigkeit der Bundesregierung gelten – nicht der Letzten Generation

Kartoffelbrei auf einem Monet-Gemälde und »Klebe-Terror« auf dem deutschen Heiligtum Autobahn: Der Klimagruppe Letzte Generation schlägt derzeit schierer Hass entgegen. Von »Kriminellen«, »Extremisten«, gar der »Entstehung einer Klima-RAF« ist die Rede. Anlass: Der schwere Unfall einer Radfahrerin mit einem Betonmischer in Berlin Ende Oktober wurde mit einer Straßenblockade der Klimagruppe in Verbindung gebracht. Der entstandene Stau soll die Durchfahrt eines Bergungsfahrzeugs behindert haben. Weiterlesen

Über kurz oder lang

In den Zusammenfassungen zum Weltklimaratbericht fiel Wachstumskritik unter den Tisch

Im September 2021 leakten die Scientists for Future einen Teil des neuen Sachstandsberichts des Weltklimarats (IPPC). Sie hatten Sorge, dass die Politik den »systemkritischen« Gehalt des Berichts verwässern wird. So könnte die Aussage kassiert werden, dass das Wirtschaftswachstum unseren Planeten zerstöre. Ihre Befürchtungen waren nicht unbegründet. Denn die Praxis bei der Erstellung der IPPC-Berichte ist komplex. Über Jahre werten Hunderte Wissenschaftler*innen Tausende Studien zum Klimawandel aus und fassen diese auf Tausenden von Seiten zusammen. Und zum Schluss beraten Politiker*innen aller 195 Mitgliedsregierungen über Zusammenfassungen für die Entscheidungsträger*innen. Vorteil: Die Politik muss sich intensiv mit dem Gesamtbericht auseinandersetzen. Nachteil: Sie kann entscheiden, was in der Zusammenfassung unter den Tisch fällt. Weiterlesen

Der Traum ist aus

Linke Utopien setzen auf materiellen Wohlstand für alle. Ökokollaps und Endlichkeit von Energieressourcen erfordern ein Umdenken

Es dauerte eine halbe Milliarde Jahre, bis sich fossile Brennstoffe bilden konnten. Aber es wird nur wenige Jahrhunderte dauern, bis Kohle, Erdöl und Erdgas verheizt sind. Bis zum Beginn der Industrialisierung lebten die Menschen auf der Erde von den vorhandenen Energieflüssen des Planeten. Erst mit dieser wurden die Energiereserven angetastet. Öl, Kohle und Gas, in geologischer Vorzeit entstanden aus toten Pflanzen oder Tieren, sind nichts anderes als gespeicherte Sonnenenergie. Im Vergleich zur zerstreut auf die Erde einstrahlenden Sonnenenergie haben sie eine enorm hohe Energiedichte. Ohne fossile Brennstoffe wäre die gewaltige Zunahme von Wirtschaftswachstum, stofflichem Reichtum und Wohlstand des industriellen Kapitalismus nicht möglich gewesen.

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CO2-Preise: Richtet es doch der Markt?

ielerorts ist es seit geraumer Zeit zu lesen: Der Markt und das Europäische Emissionshandelssystem (ETS) richten es doch! Die Preise für den Ausstoß von CO2 sind in letzter Zeit so stark gestiegen, dass sie den Betrieb von Kohlekraftwerken bald unrentabel machen würden – lange bevor laut Kohleausstiegsgesetz das letzte Kraftwerk 2038 seine Tore schließen wird. Weiterlesen

Radikaler Pessimist

Immer noch der Zeit voraus: Vor 50 Jahren erschien das Hauptwerk von Nicholas Georgescu-Roegen, einem Vordenker der Degrowth-Bewegung

Der Nobelpreisträger Paul Samuelson sagte einmal, dass man sich für die Ideen seines Freundes Nicholas Georgescu-Roegen (1906-1994) noch interessieren werde, wenn die heutigen Wolkenkratzer zerbröselt seien. Zurzeit gibt es zumindest im deutschsprachigen Raum keine große Diskussionen über die Ideen, die der aus Rumänien stammende Mathematiker und Ökonom 1971 in seinem Hauptwerk »The Entropy Law and the Economic Process« ausführlich darlegte. Es war ein Buch, das den bis dahin hoch anerkannten Wirtschaftswissenschaftler zu einem Außenseiter machen sollte. Seine Gedanken waren wohl zu pessimistisch, sein Angriff auf Mainstream-Ökonomie und Fortschrittsglauben offensichtlich zu heftig, als dass sich die Ökonom*innen-Zunft mit ihnen meinte ausführlich beschäftigen zu müssen. Weiterlesen

Klimaklatsche

Karlsruhe bringt die Politik auf Trab – aber wird das etwas ändern?

Ende April bestätigte sich eine Redewendung, die über das deutsche Bundesverfassungsgericht kursiert: In Deutschland glauben nicht alle an Gott, aber alle an Karlsruhe. Die Richter*innen in den roten Roben hatten geurteilt: Das 2019 von der Bundesregierung erlassene Klimaschutzgesetz ist in Teilen verfassungswidrig, weil es über Gebühr die Freiheit zukünftiger Generationen einschränkt. Der Gesetzgeber ist zur Nachbesserung verpflichtet, konkret zur Bestimmung von Emissionsreduktionszielen über das Jahr 2030 hinaus. Die Minister*innen und die Kanzlerin in Berlin, die das grundgesetzwidrige Gesetz zu verantworten hatten, lobten gottergeben Besserung. Ein wundersames Schauspiel. Weiterlesen

Die Chimäre der Klimaneutralität

Über die entlastende Wirkung eines neuen Mantras

Wer bietet mehr, wer hat noch nicht: Auf der klimapolitischen Weltbühne ging es in den letzten Monaten zu wie auf einer Auktion. Gegenstand der Begierde: die Klimaneutralität. Die EU will sie bis 2050, Großbritannien, Kanada, Japan und Südkorea ebenso. Und was war der Jubel groß, als der neue US-Präsident Joe Biden ankündigte, die USA ebenfalls ab 2050 klimaneutral wirtschaften lassen zu wollen. Nur China lässt sich etwas länger Zeit: Erst 2060 soll die „Netto-Null“ stehen, neben Treibhausgasneutralität das Synonym für Klimaneutralität. Und mit diesem Ziel stehen die Staaten nicht allein: Schon vor längerer Zeit sind Unternehmen, Ölmultis, Versicherer, Finanzkonzerne und Kommunen auf den Zug der Klimaneutralität aufgesprungen. Es gibt klimaneutrale Milch im Supermarkt, es kann klimaneutral getankt werden und selbstverständlich werden die online bestellten Waren klimaneutral zugestellt. Binnen kürzester Zeit ist der Begriff der Klimaneutralität zu dem prägenden Wort des Klimadiskurses avanciert, das wie ein Mantra völlig unreflektiert vor sich hingebetet wird – jetzt sogar von der SPD in ihrem Wahlkampfslogan „Sozial. Digital. Klimaneutral“. Weiterlesen

Der unbemerkte Tod

Ein Londonder Gerichtsurteil über Luftverschmutzung könnte die Diskussion über die größte Umweltverschmutzung verändern

Es ist ein Urteil, das Geschichte schreiben könnte. In London hat im Dezember erstmals ein Gericht die »exzessive« Luftverschmutzung als »wesentlich« für den Tod eines Menschen mitverantwortlich gemacht. Umweltaktivist*innen und Wissenschaftler*innen sprachen von einem Meilenstein der Rechtsprechung. Weiterlesen