Selten klaffen Rhetorik und Realität so auseinander wie beim Thema Freihandel und Protektionismus. Eindrücklich zu sehen war das jüngst an den Reaktionen auf die Einführung von US-Zöllen auf Aluminium und Stahl. Gerade die deutschen Medien ereiferten sich über den bösen nationalistischen Protektionisten Trump, der dem freien Handel den Todesstoß versetzt habe. Weiterlesen
Aus dem Lot geraten
Peter Stamm erzählt eine doppelte Doppelgängergeschichte
Stellen Sie sich vor, Sie würden an einem Ort, an dem Sie vor Jahrzehnten gelebt haben, eine Person treffen, die haargenau Ihrem früheren Ich gleicht. Das würde Sie vermutlich nicht nur irritieren, es könnte auch Ihr seelisches Gleichgewicht ins Wanken bringen. Vor allem, wenn Sie Ihrem früheren Ich immer wieder an den Ihnen bekannten Orten begegnen. Weiterlesen
Ich ist der Mittelteil von Nichts
Im sechsten Band seines Romanzyklus’ »Ortsumgehung« führt Andreas Maier sein Alter Ego an die Universität
Pusteln am ganzen Körper und aufgedunsene Gliedmaßen lassen den Protagonisten in Andreas Maiers neuestem Roman aussehen wie ein Michelinmännchen. Zudem plagen ihn Magenkrämpfe, jedes Mal, wenn er von der Frankfurter Uni zurück ins heimische Friedberg pendelt. Eine typische allergische Reaktion sei das, sagt ihm eine Ärztin. Auf die Frage, worauf er denn allergisch reagiere, bekommt jener Andreas zu hören: auf sich selbst. Er solle weniger nachdenken und nicht dauernd alles problematisieren. Weiterlesen
Freie Fahrt für alle?
Die Diskussion zum kostenlosem Nahverkehr bietet Chancen, die Kritik der Autogesellschaft zu radikalisieren
Mit dieser regen Debatte wird die kommissarische Bundesregierung nicht gerechnet haben. Ihre Überlegungen zum kostenfreien Nahverkehr haben eine Diskussion über Alternativen zur individuellen Mobilität angestoßen. Dabei ist das in einem Brief an die EU-Kommission angestellte Gedankenspiel bescheiden und vage. Zeitweilig und nur in fünf Modellstädten könnte der ÖPNV bald kostenfrei sein. Weiterlesen
Wie mächtig ist die Autoindustrie?
Ihre Macht scheint unerschütterlich. Diesel-Skandal, die Bildung eines Kartells oder jüngst die bekannt gewordenen Abgasversuche an Affen und Menschen – von der Bundesregierung hat die deutsche Autoindustrie nicht mit ernsthaften politischen Konsequenzen zu rechnen. Zynisch könnte man sagen: Was ist an den Versuchen mit Stickoxiden an der Uni Aachen auch so schlimm? Immerhin wurden die Probanden bezahlt. Die Fußgänger_innen und Radfahrer_innen in Stuttgart, München und Köln bekommen kein Geld für den Realversuch, für die sie Daimler, VW und BMW tagtäglich und seit Jahrzehnten missbrauchen.
Marxisten wollen uns nicht die Zahnbürsten wegnehmen
Ein strukturell pervertiertes System aus kommerziellen Beziehungen und Besitz sei der Kapitalismus, schreibt Papst Franziskus in seiner Enzyklika »Laudato si«. Was als radikale Kapitalismuskritik erscheint, zielt beim Oberhaupt der katholischen Kirche einzig auf die ungerechte Verteilung in der globalisierten neoliberalen Ökonomie. Auch die Kritik des viel beachteten Buches »Das Kapital im 21. Jahrhundert« von Thomas Piketty hebt auf die Verteilungsfrage ab. Nicht gestellt wird die Frage, ob in einer von Privateigentum dominierten Eigentumsform Ungleichheit überhaupt vermeidbar ist. Weiterlesen
Dinge mit anderen Augen sehen
Karl Ove Knausgård schreibt Briefe an seine ungeborene Tochter
Sein sechsbändiges autobiografisches Romanwerk »Min Kamp« brachte ihm weltweiten Erfolg. Doch was folgt nach diesem gefeierten Magnum Opus? Der norwegische Autor Karl Ove Knausgård hatte eine so schöne wie überzeugende Idee: Er schreibt Briefe an sein viertes, zunächst noch ungeborenes Kind. In diesen will er der Tochter die Welt zeigen, »wie sie ist und wie sie uns umgibt, die ganze Zeit«. Weiterlesen
Fallmanager für alle
Die EU will sozialer werden – und setzt doch nur ihren neoliberalen Kurs fort
Säulen können tragende Elemente sein – oder nur der Dekoration dienen. Die Mitte November verabschiedete »Europäische Säule der sozialen Rechte« kommt auf den ersten Blick als tragendes Element daher und entpuppt sich auf den zweiten nicht einmal als dekoratives Element. Weiterlesen
Freihandel – Protektionismus der Reichen
Unlauter sind immer nur die anderen. Aus Sicht der EU zum Beispiel China. Das Reich der Mitte erlaubt sich doch glatt, seine Stahlkonzerne zu subventionieren und Sozialstandards und Umweltauflagen links liegen zu lassen. Sagt zumindest die EU und beklagt, dass der angeblich zu Dumpingkonditionen nach Europa exportierte chinesische Stahl einheimische Produzenten vom Markt fegt. Anti-Dumping-Regeln müssten also her. Gesagt, getan: Mitte November hat das Europaparlament diesen seinen Segen erteilt; das im März 2016 eingeleitete Gesetzgebungsverfahren ist damit abgeschlossen. Weiterlesen
Im Unbewussten gibt es keine Eigentumsschranken
Der Sozialpsychologe Gerhard Vinnai im Interview über Notwendigkeit und Schwierigkeit der Kritik des Privateigentums
Gerhard Vinnai war bis 2005 Professor für analytische Sozialpsychologie an der Universität Bremen. Sein besonderes Interesse gilt der Verbindung von Psychologie und kritischer Gesellschaftstheorie. In den 1970er Jahren wurde er mit Büchern zur neomarxistischen Sportsoziologie bekannt. Sein neuestes Buch heißt »Die Tücken des Privateigentums. Der Einfluss auf die Psyche und notwendige Alternativen« (VSA-Verlag). Weiterlesen