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Wird man an Adam Toozes „Ökonomie der Zerstörung“ zukünftig den Gang faschismustheoretischer Forschung messen?

Ein solches Lob – noch dazu aus so berufener Feder – liest man selten: „In der Studie ‚Ökonomie der Zerstörung'[1] von Adam Tooze über die Wirtschaft im ‚Dritten Reich‘ wird das umstrittene Problem des Verhältnisses von kapitalistischer Wirtschaft zum NS-Regime auf denkbar breiter empirischer Basis und in eindringlicher Analyse souverän geklärt. Man kann sagen: Zum ersten Mal ist das jetzt in einer überzeugenden Synthese auf gleichmäßig hohem Niveau geschehen.“[2] Der Verfasser dieser Zeilen ist Hans-Ulrich Wehler, Nestor der deutschen Sozialgeschichtsschreibung. Ob man an dem Werk des jungen britischen Wirtschaftshistorikers – bekannt geworden durch seine fundamentale Kritik an Götz Alys Buch „Hitlers Volksstaat“ (2005) – tatsächlich, wie Wehler prophezeit, von nun an den Gang der zeitgeschichtlichen Forschung über den Nationalsozialismus wird messen dürfen, bleibt abzuwarten.
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Klare Kante

Das deutsche Zentralorgan des Konservatismus, die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), hatte es im letzten halben Jahr nicht leicht: Allenthalben sah man sich mit einem Linksruck konfrontiert, der selbst vor der CDU/CSU nicht haltmachte. „Ist die Union noch konservativ?“ fragte besorgt Wulf Schmiese, um die Frage umgehend selbst zu beantworten. „Vielen fehlt heute auf der Rechten das Klare und Kantige.“ (28.7.2007) Bedauernd stellte Stefan Dietrich in seinem überaus interessanten Kommentar „Die Systemfrage“ fest, dass das Thema „soziale Gerechtigkeit“ die Arbeitslosigkeit von der Spitze der Agenda verdrängt habe. Weiterlesen

Abschließendes Ritual

„Wo hat man eigentlich jemals in der Welt eine Nation gesehen, die Mahnmale zur Verewigung der eigenen Schande errichtet hat?“ Diese Frage stellte der ehemalige israelische Botschafter in Deutschland, Avi Primor, während einer Veranstaltung im thüringischen Landtag anlässlich des Gedenktages an die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar. Weiterlesen

Hühnerbeine für Afrika

Der Rohstoffboom in Afrika weckt Begehrlichkeiten. Weil die EU militärisch nicht konkurrenzfähig ist, setzt sie bisher auf Multilateralismus und Menschenrechtsrhetorik. Die aggressive Handelspolitik der EU-Kommission konterkariert dies.

»Diese Abkommen zielen darauf, unsere Märkte für europäische Importe zu öffnen. (…) Europa schickt uns seine Hühnerbeine, seine Gebrauchtwaren, seine abgelaufenen Medikamente und seine ausgelatschten Schuhe, und weil eure Reste unsere Märkte überschwemmen, gehen unsere Handwerker und Bauern unter.« Dieses Zitat von Aminata Traoré, der ehemaligen Kulturministerin von Mali, bringt anschaulich auf den Punkt, was derzeit Streitpunkt im europäisch-afrikanischen Verhältnis ist: die von der EU vorangetriebene »imperiale Liberalisierung«, wie die Sozialwissenschaftler Elmar Altvater und Birgit Mahnkopf in ihrem Buch »Konkurrenz für das Empire« schreiben.  Weiterlesen

“Neue Partnerschaft“ oder neo-koloniale Praktiken?

Der am vergangenen Sonntag in Lissabon beendete EU-Afrika-Gipfel wurde von der Fehde zwischen Simbabwes Staatspräsident Robert Mugabe und Angela Merkel überschattet. In den Hintergrund geriet dabei, was eigentlich der Höhepunkt des Treffens hätte sein sollen: Die Unterzeichnung der Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (Economic Partnership Agreements, EPA). Weiterlesen

Faschismus oder „nationaler Sozialismus“?

Neuere Tendenzen der Faschismusforschung

Mit dem 2006 gestarteten Versuch des konservativen Lifestylemagazins Cicero, nach Günter Grass auch die zweite Ikone der sozialdemokratischen Kulturrevolution, Jürgen Habermas, zum jugendlichen Adepten des Spätfaschismus zu machen, wird eine Tendenz der geschichtspolitischen Frontstellung deutlich, die Albrecht von Lucke in einer Analyse der Grass-Debatte als „Propaganda der Neuen Bürgerlichkeit“ bezeichnet hat. Während Grass’ spätes Eingeständnis seiner SS-Angehörigkeit als 17-jähriger bei den einen Entsetzen und bei den anderen mehr oder minder deutliche Befriedigung ob der damit erlangten moralischen Desavouierung auslöste, geriet die den Memoiren Joachim C. Fests entnommene Geschichte über Habermas’ angebliche Hitler-Begeisterung schnell zum Rohrkrepierer. Weiterlesen

Filmkritik: Free Rainer

„The hard working people, the salt of the earth“ – diese Zeile aus einem frühen Song der Rolling Stones zeugt vom einstigen Stolz der Arbeiterklasse. Heute ist dieser Stolz, ja das schlichte Bewusstsein über die eigene Stellung im Produktionsprozess, verschwunden.
Nicht ganz unschuldig an dieser Entwicklung ist die kommerzialisierte Populärkultur, insbesondere das Fernsehen. Weiterlesen

Hohle Worte

Auf der letzten Station ihrer Afrikareise, die am 7. Oktober in Liberia zu Ende ging, bekam Angela Merkel als Zeichen besonderer Zuneigung ein lebendes weißes Huhn überreicht. Ein schönes Bild, welches möglicherweise der Öffentlichkeit im Gedächtnis bleiben wird. Denn ansonsten war außer so wohlklingenden wie vagen Absichtserklärungen, etwa zur Entschuldung des Landes, wenig zu vermelden. Nicht mal ein verbaler Lapsus, wie ihn sich 1962 Bundespräsident Lübke geleistet haben soll, als er die Liberianer/innen mit „Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Neger“ anredete. Weiterlesen

Alarmierende Ergebnisse

Bodo Zeuner/Jochen Gester/Michael Fichter/Joachim Kreis/Richard Stöss, Gewerkschaften und Rechtsextremismus, Anregungen für die Bildungsarbeit und die politische Selbstverständigung der deutschen Gewerkschaften, Verlag Westfälisches Dampfboot, Münster 2007, 143 S., 14,90 €.

Zwei Jahre sind nach Veröffentlichung der ungemütlichen Befragungsergebnisse des Forschungsprojekts »Gewerkschaften und Rechtsextremismus« der Berliner Forscher um Bodo Zeuner und Richard Stöss ins Land gestrichen. Ungemütlich, da eines der wichtigsten Resultate der Umfrage lautete: Gerade die Kernmitgliedschaft der Gewerkschaften – also die Stammbelegschaft der westdeutschen Großbetriebe – neigt besonders häufig zu rechtsextremen Einstellungsmustern. Weiterlesen

Vermittlungsarbeit

Marcus Hawel/Gregor Kritidis (Hrsg.), Aufschrei der Utopie. Möglichkeiten einer anderen Welt, Offizin-Verlag, Hannover 2006, 304 S., 18,00 Euro

„Trotz objektiv technischer Möglichkeiten der Abschaffung von Armut und Elend verschärft der Marktradikalismus die gesellschaftlichen Strukturprobleme und blockiert das produktive Experimentieren mit alternativen Lösungsansätzen. Nichts aber ist wichtiger, als die schöpferischen Potentiale zur Überwindung der Probleme freizusetzen. Denn nur wenn gedanklich die bestehenden Grenzen überschritten werden, lassen sich die Kräfte mobilisieren, die für die materielle Überschreitung derselben notwendig sind.“
Dieser auf dem Klappentext formulierte – freilich nicht anspruchslose – Aufgabe, versuchen die Autoren gerecht zu werde. Weiterlesen